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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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französische Frauen besitzen, welches vor euch Engländern sicher wäre. Weder Seelenheil noch Leib und Leben, nicht Ehemann, Bruder, Vater oder Sohn.«
    Die enthauptete Frau aus Caen mit dem Säugling an der Brust kam John in den Sinn. Es gab wohl keinen ungünstigeren Moment, um an sie zu denken, und er wollte nicht, aber das Bild suchte ihn oft unaufgefordert heim und ließ sich nie so leicht abschütteln. Er gedachte indessen nicht, sich in die Defensive drängen zu lassen. »Jeder Krieg fordert einen hohen Blutzoll, Madame«, entgegnete er ernst, ruhiger, als ihm zumute war. »Aber England führt diesen Krieg, um sein Recht zu verteidigen, nicht gegen Frankreichs Frauen. Es hat ihn im Übrigen auch nicht begonnen.«
    Die Prinzessin stemmte die Hände in die Hüften. »Nein? Ist nicht Euer König Edward damals von Brabant aus in Frankreich eingefallen?«
    »Und hatte nicht Euer König Philip zuvor Aquitanien besetzt?«
    »Aquitanien gehört zu Frankreich!«
    »Es ist Eigentum der englischen Krone«, entgegnete er, und er war sehr zufrieden mit seinem gelassenen Tonfall, der verglichen mit ihrer erregt erhobenen Stimme überlegen klang. »Die Arroganz, Habgier und Doppelzüngigkeit französischer Könige hat Not und Elend über Euer Land gebracht. Nicht wir.«
    Katherine schnappte nach Luft, zu wütend für weitere Worte. Sie rang sichtlich um Fassung, und John fand diesen Sieg über ihre Contenance honigsüß.
    »Geht mir aus den Augen«, brachte sie schließlich tonlos hervor.
    Er verneigte sich mit einem liebenswürdigen Lächeln. Erst vor Katherine, dann vor der Königin. Ohne deren zustimmendesNicken abzuwarten, verließ er die Halle, wandte sich nach links und floh hinaus in den Garten.
     
    Im Schatten des Hauses war die Frühlingsluft frisch, die Brise kühlte John die feuchte Stirn. Er schlenderte eine niedrige Spalierhecke entlang, bis er in die Sonne kam. Jedes Jahr im Frühling überraschte sie ihn aufs Neue mit ihrer Kraft. Als er sicher war, dass er von den Fenstern der Halle aus nicht mehr gesehen werden konnte, hob er ihr das Gesicht entgegen, schloss die Augen und genoss ihre wohltuende Wärme auf seinen geschundenen Gliedern, in denen es hier und da immer noch dumpf pochte. Es war das erste Mal seit zwei Monaten, dass er sich bewusst unter freiem Himmel befand, und nie zuvor waren ihm die Frühlingsdüfte so betörend vorgekommen wie heute. Er sog sie tief in sich ein, stand einfach nur da und atmete – genoss die schlichte Tatsache, dass er noch lebte. Dass sein kältester und dunkelster Winter vorüber war.
    Schließlich setzte er seinen Spaziergang fort, schritt über gepflegte Rasenflächen mit leuchtend gelben Büscheln aus Narzissen und Rosenbüschen, die gerade die ersten jungen Triebe hervorbrachten, bis er in einen blühenden Obstgarten kam. Knorrige Apfel- und schlanke Pflaumenbäume säumten einen Pfad, der John zu einer Bank im Windschatten der Mauer führte. Auf der Bank hockte ein Greis in einem fleckigen, weinroten Gewand, das lose um seine mageren, abfallenden Schultern hing. Sein Haar war spärlich und stand in wirren, weißen Büscheln vom Schädel ab. Als er John aus dem Schatten der Obstbäume auf sich zukommen sah, erstarrte er. Die trüben Augen wurden groß und rund wie Kinderaugen.
    »Hat sie Euch geschickt?«, fragte der alte Mann. Seine Stimme war unerwartet tief und volltönend, aber sie bebte. »Hat sie endlich einen Schurken gefunden, um mich aus dem Weg räumen zu lassen? Diese durchtriebene, bayrische Dirne ?«
    Oh, süßer Jesus, wo bin ich hier hingeraten?, dachte John fassungslos. Was ist das nur für eine Familie?
    Auch ohne den unverkennbar irren Blick des Greises hätte ergewusst, über wen er hier gestolpert war, denn dieses schwache Kinn und die beinah wulstigen Lippen hatte er schon einmal vor ungefähr zwei Monaten in Jargeau gesehen. Fortgeschrittenes Alter und Schwachsinn machten die Valois nicht stattlicher, stellte er gehässig fest.
    Trotz seiner Häme sank er vor dem alten König auf ein Knie nieder, ohne entscheiden zu können, ob es Mitgefühl oder einfach nur gute Manieren waren, die ihn dazu bewogen. »Niemand hat mich geschickt, Sire«, versicherte er. »Mein Name ist John of Waringham, und ich …«
    Ein gellender Schrei, der durch Mark und Bein fuhr, unterbrach ihn. Nie hätte er für möglich gehalten, dass ein solcher Laut aus dieser dürren Kehle kommen könnte. »Ein Engländer!«, schrie König Charles. »Wache! Wache! Edward der Löwe

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