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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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weiter Weg für einen kranken Mann.
    »Und wenn schon«, gab Harry ungeduldig zurück. »Ein Überraschungseffekt wäre jeden Umweg wert. Und außerdem …« Er verstummte abrupt, riss wie vor Verwunderung die Augen weit auf und sackte dann plötzlich zur Seite.
    All seine Begleiter hatten so etwas kommen sehen, nur nicht so bald. Und nicht so plötzlich. Ehe irgendwer etwas tun konnte, war der König vom Pferd gestürzt und blieb mit dem Gesicht nach unten auf der staubigen Straße liegen.
    Raymond sprang aus dem Sattel und erreichte ihn als Erster. Er packte ihn bei den Schultern, drehte ihn um und bettete Harrys Kopf auf sein Bein. Der König hatte die Augen geschlossen, und weder sah noch hörte man ihn atmen.
    Sein Bruder beugte sich über ihn und legte ihm die Hand auf die linke Brust. »Er lebt.« Es klang eher erstickt als erleichtert.
    Raymond strich dem König die feuchten Haare aus der Stirn und blickte auf die jetzt entspannten Züge hinab. Was er seit Wochen geahnt hatte, wurde plötzlich Gewissheit: Daslähmende Gefühl des nahenden Verhängnisses, welches seit Monaten auf ihm lastete, hatte überhaupt nichts mit ihm selbst zu tun. Nicht er war derjenige, für den dies der letzte Feldzug war.
    Der Earl of Salisbury winkte einen seiner Ritter herbei. »Reitet nach hinten zum Tross, mein Junge.«
    Er hatte heimlich befohlen, im Tross eine Sänfte mitzuführen. Diese wurde nun eilig herbeigeschafft. Sie betteten den König hinein, ohne dass er das Bewusstsein wiedererlangte, und schlossen die Vorhänge gegen die unbarmherzige Sonne.
    »Was nun?«, fragte Warwick ratlos.
    Der umsichtige Salisbury schien der Einzige, den der Schreck nicht völlig handlungsunfähig gemacht hatte. »Bedford, Ihr solltet das Kommando übernehmen. Führt die Männer nach Cosne, damit der Herzog von Burgund bei Laune gehalten wird, aber wenn Ihr meinen Rat wollt: Sucht nicht ausgerechnet jetzt die offene Schlacht.«
    Bedford verstand sehr wohl, was Salisbury ihm sagen wollte. Er nickte. »Wo bringt ihr ihn hin?«
    Die Lords schwiegen unsicher.
    »Nach Vincennes«, schlug Raymond schließlich vor. »Es ist nicht weit, und es war ihm immer die liebste Burg in Frankreich.«
     
    Bischof Beaufort war der einzige Mann in England, dem sie einen Boten schickten, um ihn wissen zu lassen, wie es um den König stand. Und so schwer es dem Bischof auch fiel, befolgte er dennoch wortgetreu die Wünsche seines Neffen: Er sagte keiner Menschenseele etwas von dessen bedenklichem Zustand und blieb in England, um Gloucester, dem noch relativ unerfahrenen jüngsten Bruder des Königs, welcher derzeit das Amt des Regenten versah, zur Seite zu stehen. Und er schickte die besten Ärzte, die er kannte, nach Vincennes.
    Doch weder die englischen Ärzte noch der legendäre Justin de Grimaud vermochten irgendetwas auszurichten. Harry litt an zehrenden Fieberanfällen wie in seiner Kindheit, under konnte fast gar nichts mehr zu sich nehmen. Tat er es doch, wurde er von Krämpfen heimgesucht, die ihn immer noch mehr schwächten. Anfang August war er so schwach, dass er sich nicht mehr von seinem Krankenlager erheben konnte. Und als der Monat sich langsam dem Ende zuneigte, gestand er sich schließlich ein, was alle anderen längst wussten:
    »Raymond, ich liege im Sterben.« Es klang verwundert.
    »Ja, Harry.«
    Ungeduldig schnalzte der König mit der Zunge. »Wie eigenartig. Ich war sicher, Gott habe mich ausersehen, Frankreich zu erobern und den Krieg zu beenden. Wozu hat er bei Agincourt ein Wunder gewirkt, wenn er mich jetzt abberuft, ehe ich hier fertig bin?«
    »Das frag ich mich auch«, bekannte Raymond.
    Er wechselte sich mit Exeter, Warwick und Bedford ab, am Sterbebett des Königs zu wachen, und nur in den Stunden, da er allein in seinem Quartier war, gestattete Raymond sich, seinem Entsetzen, Zorn und Kummer freien Lauf zu lassen. In Harrys Gegenwart war er immer der Alte: aufgeräumt, flegelhaft, meistens ehrlich und manchmal unverschämt.
    »Soll ich nach der Königin schicken? Sie ist bei ihren alten Herrschaften in Seins und könnte in wenigen Stunden hier sein.«
    »Auf keinen Fall«, antwortete der König matt, aber entschieden. »Ich will nicht, dass sie mich so sieht.«
    »Sie ist deine Frau, Harry.«
    »Ja. Aber du würdest die deine auch nicht an dein Totenbett holen.«
    »Da hast du Recht«, musste Raymond einräumen.
    Harrys Hände begannen zu zittern, und Raymond ergriff die Rechte mit seinen beiden. Es war eine langfingrige, immer

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