Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
Vom Netzwerk:
einmal entwischt. Der König ließ ihn suchen und setzte eine hohe Belohnung auf seine Ergreifung aus, aber vergebens. Nicht nur in London und der näheren Umgebung, sondern in ganz England gab es Sympathisanten der Lollardenbewegung. Vermutlich fand Oldcastle bei ihnen Unterschlupf. Jedenfalls blieb er verschwunden.
    Das war der einzige Wermutstropfen in einem ansonsten vollkommenen Triumph. Viele Londoner erinnerten sich noch an die Schrecken des Bauernaufstandes vor rund dreißig Jahren und waren ihrem König für sein rasches, entschlossenes Handeln dankbar. Es festigte die Freundschaft zwischen ihm und den selbstbewussten Bewohnern der großen Stadt, die dem Haus Lancaster in der Vergangenheit nicht immer nur wohlgesinnt gewesen waren. Die Stadtväter ließen gar durchblicken, dass sie bereit wären, die Krone finanziell zu unterstützen, sollte der König erwägen, seine Ansprüche in Frankreich militärisch durchzusetzen.
    Das erwog der König in der Tat, wie alle bei Hof wussten, und jetzt, da die Gefahr im Innern, die die Lollarden dargestellt hatten, gebannt war, drängte es ihn mehr denn je, seine Pläne auf dem Kontinent endlich in die Tat umzusetzen. Die französischen Gesandten, die Anfang des Jahres an den Hof kamen, behandelte er höflich, aber unmissverständlich kühl, und er forderte neben der Hand der französischen Prinzessin Katherine eine atemberaubende Mitgift von mehr als dreihunderttausend Pfund, die Normandie und die halbe Provence. Die Gesandten erklärten steif, sie seien nicht befugt, über Forderungen solcher Art zu verhandeln. So endeten die langwierigen Unterredungen lediglich mit der Vereinbarung eines neuen Waffenstillstandesbis zum nächsten Frühjahr, denn Harry wusste, dass er diese Zeit brauchte, um seinen Feldzug vorzubereiten. Höchst verstimmt reisten die französischen Diplomaten ab. Umso größer war das Erstaunen bei Hofe, als nur wenige Tage später der Dauphin dem König ein Geschenk schickte.
    »Was ist ein Dauphin?«, fragte John Somerset flüsternd, nachdem der französische Bote vor der hohen Tafel erklärt hatte, wer ihn schickte.
    »Ein Kronprinz«, antwortete Somerset ebenso gedämpft.
    »Was denn, der Sohn des französischen Königs? Deines ›geliebten, schwachsinnigen Onkel Charles‹?«
    »Genau. Der Verstand des Prinzen ist in Ordnung, heißt es, aber er ist eine fette Kröte und ein Feigling. Man sagt gar …«
    »Halt den Mund, Somerset«, zischte Hugh Fitzalan. »Ich will hören, was der Bote sagt.«
    Auch Somerset und John spähten neugierig zur hohen Tafel hinüber.
    »Wir sind überaus beglückt, dass Unser geliebter Cousin, der Dauphin, Uns mit einem Geschenk ehrt«, erklärte Harry dem Boten liebenswürdig. Seine Miene und Stimme drückten nichts als Höflichkeit aus. Nur diejenigen, die in seiner Nähe saßen und ihn gut kannten, sahen das spöttische Funkeln in seinen Augen. »Kaum sind wir in der Lage, Unsere Neugier zu zügeln. Was mag es sein, womit Unser Cousin Uns bedacht hat?«
    Dem französischen Boten war sichtlich unbehaglich zumute. Auf seinen fahrigen Wink trugen zwei Diener eine kleine Truhe in die Halle und stellten sie vor der hohen Tafel ab. Der Bote trat hinzu. So still war es in dem hohen Saal geworden, dass seine Schritte auf den Bodenfliesen hallten. Mit einer etwas steifen Verbeugung in Harrys Richtung öffnete er den Deckel der Truhe.
    Ein kleines, schneeweißes Federkissen purzelte heraus, gefolgt von einem halben Dutzend Filzkugeln, die unter Tische und Bänke rollten. Des Königs Jagdhunde, die sich wie so oft auch an diesem Abend in der Halle herumtreiben durften, setzten ihnen nach und rangelten knurrend darum.
    »Tennisbälle«, murmelte Raymond entgeistert. »Wie … nett.«
    Schweigend sah der König den französischen Boten an. Der schlug für einen Moment den Blick nieder, als habe ihn mit einem Mal der Mut verlassen, schaute jedoch sogleich wieder auf und erklärte in fehlerfreiem Englisch, wenn auch mit schwerem Akzent: »Mein Herr, der Dauphin, sendet Euch diese Bälle, Sire, denn, so sagt er, Ihr seiet ein noch so junger König, dass Ihr Eure Zeit lieber mit dem Spiel verbringen solltet, welches Ihr so liebt, statt in knabenhaftem Übermut einen Krieg heraufzubeschwören, den Ihr niemals gewinnen könnt. Und er sendet Euch seidene Kissen, auf dass Ihr Euer Haupt darauf betten möget, bis Ihr zu Manneskraft herangewachsen seid.«
    Einen Moment herrschte betretenes Schweigen. Dann brach die Gesellschaft in empörtes

Weitere Kostenlose Bücher