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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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gefährlichen Mann.« Ein langes Schweigen trat ein.
    »Tut mir leid, Claire«, sagte Leslie schließlich. »Ich weiß, daß Sie mir helfen wollen. Aber was Sie da erzählen, kann ich einfach nicht glauben. Ich kann nicht an Schwarze Magie glauben. Es fällt mir schon schwer genug, an übersinnliche Kräfte zu glauben, an Geisterkatzen …«
    »Das ist wahrscheinlich mein Fehler. Vielleicht bin ich ein bißchen zu … rasch vorgegangen«, gab Claire zu. »Sie sollten mit Colin reden. Er kennt sich mit diesen Dingen viel besser aus als ich.«
    »Aber ich finde es unfair, hinter Simons Rücken über ihn zu reden …«
    »Ich würde es Simon auch ins Gesicht sagen. Um ehrlich zu sein, habe ich das schon getan«, erwiderte Claire. »Hören Sie, Leslie. Ich möchte, daß wir Freundinnen werden, deshalb will ich Sie nicht über Gebühr bedrängen. Aber ich warne Sie. Seien Sie sehr, sehr vorsichtig. Simon Anstey ist ein äußerst gefährlicher Mann. Emily ist noch sehr jung, und Ihnen ist das alles neu – und das macht Sie beide sehr verletzlich. Passen Sie auf, sonst könnten Sie tief in etwas hineingezogen werden, mit dem Sie bestimmt nichts zu tun haben wollen.«
     
    Ein paar Tage nach Claires Besuch fand Simons Konzert statt. Er bestand darauf, daß Leslie und Emily in der für den Dirigenten reservierten Loge Platz nahmen. Er hatte die Schwestern gebeten, ihn in der Pause im grünen Salon aufzusuchen; statt dessen stand er plötzlich in der Tür.
    »Möchtet ihr etwas trinken? Emily, wie wär’s mit einem Glas Champagner?« Er lächelte Leslie zu. »Ich glaube, sie ist alt genug dafür.«
    »Ich fürchte, nein«, entgegnete Emily naiv. »Ich werde erst im August achtzehn.«
    »Wenn du nichts verrätst, sage ich es auch nicht weiter«, meinte Simon augenzwinkernd.
    Leslie vermutete, daß ein Dirigent während der Konzertpause üblicherweise nicht durch die Hallen spazierte, doch Simon schrieb seine eigenen Gesetze. Wieder schien er ihre Gedanken gelesen zu haben.
    »Wie hätte ich mich des Vergnügens berauben können, mit meiner begabtesten Schülerin und der faszinierendsten Frau von ganz San Francisco durch diese wunderschönen Flure zu schlendern?« Zum wiederholten Mal dachte Leslie, daß Simons Worten und Gesten etwas Europäisches anhaftete.
    Zwischen Marmortreppen und vergoldeten Kandelabern gingen sie zur Bar, an der sich dicht an dicht Männer in Smokings und Frauen in Abendkleidern drängten. Obwohl es Juli war, hatten einige Damen sogar Pelze übergehängt. Leslie hatte das Gefühl, die schlichten Kleider, die sie und ihre Schwester trugen, seien in dieser Umgebung fehl am Platze. Doch im allgemeinen war das Publikum gemischt; sie sah auch Musikliebhaber in normalen Straßenanzügen und sogar ein paar Studenten in Jeans oder buntem Hippie-Aufzug, der sie an Frodo erinnerte.
    Simon warf einen Blick auf die überfüllte Bar. »Wartet hier. Ich stürze mich ins Getümmel.«
    Leslie zögerte. Sie mochte ihn nicht allein mit drei Champagnergläsern kämpfen lassen. Aber sie wußte nicht, wie sie ihm hätte widersprechen sollen, ohne ihn vor Emily bloßzustellen, deshalb beobachtete sie, wie seine hochgewachsene, schlanke Gestalt in der Menge verschwand.
    »Oh, sieh nur«, rief Emily. »Da ist ja Claire Moffat! Ich wußte gar nicht, daß sie Musik liebt.«
    Ein Satz aus einem der Bücher, die Claire ihr gegeben hatte, schoß Leslie durch den Kopf: Was die meisten Menschen für Zufall halten, beruht auf Ursache und Wirkung, aber deren Einfluß ist so subtil, daß er nur von geistig sehr fortgeschrittenen Persönlichkeiten wahrgenommen wird. Die großen Adepten wissen, daß es so etwas wie Zufall nicht gibt.
    Leslie hielt sich nicht für eine Adeptin – was immer das heißen mochte –, aber ihr war klar, daß in ihrem Leben die unwahrscheinlichsten Zufälle geschahen, und sie glaubte nicht, daß diese Zufälle bedeutungslos waren. Sie begrüßte Claire und stellte Colin MacLaren Emily vor.
    »Wir kennen uns«, meinte der ältere Herr. »Frodo hat Sie einmal zu einer unserer Seancen mitgebracht. Genießen Sie das Konzert?«
    »Simon ist mein Lehrer«, erwiderte Emily. »Ich studiere diesen Sommer bei ihm, solange sich Dr. Agrowsky in der Schweiz aufhält.«
    Leslie wappnete sich gegen eine taktlose Bemerkung Claires oder Colins; schließlich waren beide Simon feindlich gesonnen. Aber Colin sagte nur: »Ich war schon immer der Meinung, daß Simon auch einen ausgezeichneten Lehrer abgibt. Vielleicht hatte der

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