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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Verwandlung. Wenn Sie das Päckchen öffnen …«
    »Aber die Frau hat gesagt, ich könnte das Paket selbst versiegeln«, widersprach die Frau. »Sie würde es nicht berühren und mir das Bündel ungeöffnet zurückgeben …«
    »Und wenn Sie es aufmachen«, erwiderte Leslie, »finden Sie zerschnittene Zeitungen oder ähnliches darin. Aber die Frau und Ihr Geld werden Sie nie wiedersehen. Das ist einer der ältesten Hochstaplertricks der Branche.«
    »Aber diese Frau war so sympathisch …«
    »Das sind sie alle.«
    »Und sie wollte nur hundert Dollar.«
    Und hundert Dollar, dachte Leslie, wären ein geringer Preis dafür gewesen, Peggy Termans Gewissen zu erleichtern. »Kein seriöser Hellseher würde eine solche Summe verlangen.« Sie hatte keine Ahnung, welche Honorare ihre neuen Kollegen für gewöhnlich in Rechnung stellten, aber sie wußte, daß die ehrlichen unter ihnen realistische Sätze veranschlagten. Auf jeden Fall war es besser, sich von Leuten fernzuhalten, die viel Geld für fast nichts haben wollten. »Mrs. Terman, Sie sollten zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Beim Betrugsdezernat.«
    »Da würde ich mir viel zu dumm vorkommen«, meinte Peggy Terman. »Ich wüßte nicht, wie ich diesen Leuten von Margie und dem Geld erzählen sollte. Und jetzt … was soll ich denn nun mit diesem Geld anfangen?«
    »Warum fragen Sie das gerade mich? Wer sagt Ihnen, daß ich nicht ebenfalls einen Schwindel auf Lager habe, um Ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen?« fragte Leslie. »Sie könnten es Ihrem Schwiegersohn zukommen lassen …«
    »Ausgerechnet diesem Kerl?«
    »Dann spenden Sie es für eine gute Sache. Oder werfen Sie es in die Bucht. Sie können es sogar der Frau geben, die sich erboten hat, den Fluch aufzuheben«, antwortete Leslie trocken. »Dann brauchen Sie sich wenigstens nicht mehr darum zu sorgen.«
    Wahrscheinlich gab es genau aus diesem Grund so viele falsche Hellseher: der verbreitete Widerwille zu gestehen, daß man hereingelegt worden war, menschliche Gier und Dummheit. Wollte sie sich wirklich auf einem solchen Gebiet betätigen? Es war besser, sie überließ dieses Feld Zeitungen wie dem Enquirer.
    Sie entlockte Peggy Terman noch ein paar Einzelheiten. Ein altes Sprichwort besagte, daß man nur Menschen betrügen könne, die etwas umsonst bekommen wollten. Und diese Frau versuchte, auf billige Weise ihr Gewissen zu erleichtern.
    Zutiefst deprimiert legte Leslie auf. Nicht lange, dann würde Susan Hamilton kommen. Gab es überhaupt ein menschliches Problem, das lösbar war? Leslie hatte das Gefühl, von der Last allen menschlichen Elends überwältigt zu werden. Wie war sie bloß darauf verfallen, ihren Lebensunterhalt als Therapeutin zu bestreiten? Sie ging nach draußen, wo Simon und Emily Zitronen pflückten.
    In diesem Moment hielt Frodos Wagen vor dem Tor. Der junge Mann kam durch den Garten auf sie zu, und der Gedanke durchzuckte Leslie, daß er viel eher hierher paßte als in den Buchladen. Er wirkte wie ein hochgewachsener Elf.
    »Hallo, Frodo.«
    »Tag, Dr. Barnes. Ich wollte meine Leiter abholen. Sie steht hier seit dem Tag, als Emily und ich das Atelier angestrichen haben«, sagte er. »Ich würde Sie deswegen nicht belästigen, aber mein Dad braucht die Leiter. Oder brauchen Sie sie noch?«
    »Nein, nein, Frodo«, gab Leslie zurück. Vielleicht war Frodos Auftauchen ja ein gutes Zeichen. Sie hoffte, daß er und Emily ihren Streit beilegen würden. Frodo trat auf den Zitronenbaum zu, an dem die Leiter lehnte, und erstarrte plötzlich.
    »Hallo, Emily. Oh … guten Tag, Dr. Anstey.«
    Leslie fragte sich, ob Frodo ahnte, wie offensichtlich die Empfindungen waren, die sich auf seiner Miene spiegelten. Simon nickte dem jungen Mann kühl zu.
    »Hallo, Paul.«
    Paul hieß er also. Leslie fragte sich beiläufig, wie er ausgerechnet auf Frodo gekommen war. Frodo erklärte den beiden derweil die Sache mit der Leiter.
    »Nein, nein, nimm sie nur mit. Wir brauchen sie nicht mehr«, sagte Emily. »Danke, daß wir sie so lange behalten durften.«
    Der junge Mann klemmte die Leiter unter den Arm. »Es sieht hier wirklich klasse aus. Wenn ihr Hilfe bei der Gartenarbeit braucht …«
    »Vielen Dank, aber wir haben alles im Griff.«
    »Hättest du Lust, heute abend zur East Bay rüberzufahren und das Mittelalter-Ensemble anzuhören, Emily? Sie treten im griechischen Theater auf und spielen einige der Instrumente, die ich gebaut habe. Wir fahren mit einer ganzen Clique.«
    Emily strahlte.

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