Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Alptraum gehabt und sie aus dem Schlafzimmer gegenüber gerufen? Dann hörte sie das Geräusch noch einmal: ein gräßliches Krachen und Knallen, als hätte jemand dreißig Fässer Alteisen fallen lassen und die Treppe hinuntergerollt. Emily erschien im Türrahmen. Sie trug ein kurzes Nachthemd, und das offene Haar fiel ihr fast bis auf die Hüften.
    »Was ist das? Ich dachte, das käme aus deinem Zimmer, Em.«
    »Du meine Güte, nein! Wie sollte ich solch einen Lärm veranstalten? Hört sich an, als würde jemand Autowracks zertrümmern. Ich bin froh, daß du es auch gehört hast.« Emily zitterte. Als Leslie sich anschickte, die Treppe hinunterzusteigen, hielt ihre Schwester sie fest. »Nein, nicht, ich hab’ Angst …«
    Im gleichen Augenblick krachte und knallte es ohrenbetäubend im Erdgeschoß.
    »Wähl die neun-eins-eins und melde, daß wir hier einen Einbrecher haben, Emmie«, flüsterte Leslie.
    Emily tippte die Nummer ein und plapperte panisch in den Hörer. »Ja, ja, im Erdgeschoß. Es hört sich an, als würde jemand das ganze Mobiliar zerschlagen …« Sie legte auf. »Die Polizei schickt sofort den nächsten Streifenwagen. Ich gehe mir was anziehen«, fügte sie mit einem Blick auf ihre langen, nackten Beine hinzu und wollte schon in ihrem Zimmer verschwinden, als von neuem ein lautes metallisches Klirren ertönte. Diesmal hörten sie das Hallen von Saiten, als hätte jemand die Harfe umgestoßen.
    »Les, das war im Musikzimmer! Wenn die Kerle Grandmas Harfe beschädigt haben, bringe ich sie um!« stieß Emily hervor und stürmte auf bloßen Füßen die Treppe hinunter.
    »Nein, Emmie! Mein Gott, warte …« Leslie rannte ihrer Schwester nach. Sie sah, wie Emily die Tür zum Musikzimmer aufriß. Dann hörte sie ihre Schwester kreischen und wäre beinahe über die eigenen Füße gestolpert, als sie in den Raum stürmte. Emily hatte das Licht eingeschaltet. Den Mund immer noch zu einem stummen Schrei aufgerissen, stand sie wie erstarrt da. Vor ihr breitete sich ein Bild des Chaos aus.
    Der schimmernde Knabe-Flügel aus poliertem schwarzem Holz sah aus, als hätte jemand mit einem Vorschlaghammer daraufgeschlagen. Der Deckel war geborsten, das schwarze Holz zerschmettert. Ein weiterer wuchtiger Schlag hatte die Tastatur getroffen. Elfenbeinsplitter lagen über den Boden zerstreut. Die Harfe lag am Boden; jemand hatte die Saiten eingetreten, aber der Rahmen schien nicht zerbrochen zu sein. Am schlimmsten hatte es Simons Cembalo erwischt. Es sah aus, als hätte jemand den Vorschlaghammer – oder was es gewesen sein mochte – mit unglaublicher Wucht geschwungen. Splitter des polierten Holzes, zerschmetterte Tasten und Metallstücke lagen im Raum verstreut, als hätte der Angreifer zuerst das Instrument zu Kleinholz geschlagen und die Überreste dann in alle vier Ecken des Zimmers getreten.
    »O Gott!« stieß Leslie fast unhörbar hervor. Es klang wie ein Gebet. Hinter ihr brach Emily in hysterisches Schluchzen aus. »Nein! Herr im Himmel, nein …«
    Plötzlich hörte Leslie das Heulen einer Sirene. Durch das Erkerfenster sah sie, wie ein Streifenwagen mit Blaulicht um die Ecke bog und vor dem Haus hielt. Zwei Polizisten sprangen heraus. Emily kreischte jetzt wieder, stieß abgehackte Schreie aus. Leslie stürmte in den Flur und ruckelte hektisch an dem Riegel, um die Beamten einzulassen. Ein Mann und eine Frau eilten an ihr vorbei und rannten ins Musikzimmer, wo Emily immer noch schrie.
    »Großer Gott! Wo ist der Bastard? Wie ist er rausgekommen?« rief eine Männerstimme. Blitzartig erkannte Leslie Schafardis Gesicht und seine massige Gestalt. Pat Ballantine ging zu Emily und legte den Arm um das Mädchen.
    »Bitte, beruhige dich. Wir müssen mit dir reden. Jetzt sind wir ja bei dir.« Schluchzend brach Emily zusammen, und die Polizistin hielt sie fest. »Ist sie vergewaltigt oder angegriffen worden?« fragte sie über Emilys Schulter hinweg.
    »Nein«, antwortete Leslie. »Sie war oben, bei mir, und dann haben wir diesen fürchterlichen Krach gehört …«
    »Und als Sie nach unten kamen, haben Sie diese Schweinerei vorgefunden?« Mißtrauisch schaute Schafardi sich um. »Wie ist der Hurensohn bloß rausgekommen? Aus dem rückwärtigen Fenster? Sieht nicht aus, als hätte er es zerbrochen …« Er ging in die Diele und von dort in die Küche. Pat Ballantine setzte Emily auf ein Kissen. Die Hand auf den Holster an ihrer Hüfte gelegt, eilte sie ihrem Partner nach. »Paß auf, Joe, der Bursche könnte

Weitere Kostenlose Bücher