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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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seine Hände gesund macht und die meinen nutzlos, würde ich mich dem gern unterziehen …
    Am Tor fuhr ratternd Frodos alter Lieferwagen vor. Die darauffolgende Stille hielt so lange an, daß Leslie zum Fenster schlich. Eng umschlungen standen die beiden jungen Leute da. Nun, Emily hatte jedes Recht auf ihr kindliches Liebesverhältnis, und Frodo war ein netter Junge. Selbst Simon hatte davor kapituliert.
     
    Köstliche Düfte nach brutzelndem Schinken durchzogen das Haus, als Emily nach unten kam. Als sie Simon im Bademantel am Frühstückstisch sitzen sah, schlug das Mädchen rasch die Augen nieder und wandte das Gesicht ab.
    »Igitt, Schinken! Wißt ihr denn nicht, daß das Zeug voller Nitrite und Salz steckt und daß ihr euch damit vergiftet !«
    »Du brauchst ja nichts davon zu essen«, entgegnete Leslie und steckte eine Scheibe Weißbrot in den Toaster.
    Emily kochte sich einen ihrer mundwasserfarbenen Tees. Aus einer Schüssel, die auf der Arbeitsplatte stand, nahm sie eine Zitrone und schnitt sie auf. »Ich habe achtzehn Gläser Zitronenmarmelade gekocht, Simon. Ein paar habe ich für dich beiseite gestellt.« Sie preßte Zitronensaft in ihren Tee. »Herrlich, diese frischen Zitronen.«
    »Ich probiere die Marmelade auf meinem Toast«, erklärte Simon schmunzelnd. »Hmm, köstlich. Ich mache noch eine Dreisterneköchin aus dir«, meinte er und schaute Leslie an. »Was hast du heute vor, mein Schatz?«
    »Gegen halb zwölf erwarte ich Susan Hamilton.«
    »Die Frau mit dem idiotischen Kind?«
    »Christina ist nicht schwachsinnig.«
    »Aber sie ist so nutzlos wie eine Geisteskranke«, erwiderte Simon. »Ich jedenfalls werde meine Sympathie und Aufmerksamkeit Kindern und jungen Menschen wie Emily vorbehalten. Ganz ehrlich, Leslie, ohne Sentimentalitäten: Jeder, der dieses arme Mädchen mit dem Auto anfährt und tötet, würde der Mutter, dem Kind und der Gesellschaft einen Gefallen tun.«
    »Ich glaube, in diesem Punkt werden wir uns nicht einig«, meinte Leslie heftig, doch Emily schlug in dieselbe Kerbe. »Du weißt so gut wie ich, daß Simon recht hat, Les. Zu deiner Patientin kannst du das natürlich nicht sagen, aber wäre so etwas nicht eine Erleichterung für alle Beteiligten, die Mutter eingeschlossen?«
    Leslie seufzte. »Wir haben das schon mehr als einmal diskutiert. Ich will nicht Gott spielen, und glücklicherweise steht mir das auch gar nicht zu.« Sie bestrich ihren Toast dick mit Emilys Marmelade. »Wirklich köstlich, Em. – Was habt ihr heute vor?«
    »Ich will mit meiner Versicherung über das Cembalo sprechen«, erklärte Simon. »Außerdem muß ich in meine Wohnung und ein paar Anrufe machen. Emily, du hast seit mehr als einer Woche keinen Unterricht gehabt. Falls dein junger Freund dir so viel Zeit läßt, hättest du dann eine Stunde für mich übrig?«
    »Für dich habe ich immer Zeit, Simon. Außerdem arbeitet Frodo heute«, antwortete Emily. »Darüber wollte ich übrigens mit euch reden. Wir sind gestern abend nach Sausalito gefahren, um mit seinen Eltern zu sprechen. Frodo möchte im Buchladen kündigen und sich selbständig machen. Seine Eltern wollen ihm Geld leihen, damit er einen Instrumentenladen eröffnen kann, wo er Lauten baut und Geigen und Gitarren repariert. Daneben bliebe ihm noch genug Zeit, Cembalos zu bauen und zu verkaufen.«
    »Meinen Glückwunsch!« rief Leslie, doch Simon zog kritisch eine Augenbraue hoch.
    »Ich will doch hoffen, das bedeutet nicht, daß Paul sich niederlassen und eine Familie gründen will«, bemerkte er. »Ich warne dich, meine Liebe. Wenn du mit dem jungen Mann durchbrennst, werde ich sehr böse auf dich sein.«
    »Aber nein!« rief Emily und errötete. »Ich denke nicht daran zu heiraten. Vielleicht wenn ich dreißig oder vierzig bin.«
    Simon legte den Kopf schief. »Mit siebzehn glaubt man das wahrscheinlich nicht«, meinte er, »aber auch ältere Menschen von dreißig oder sogar vierzig Jahren besitzen immer noch Ehrgeiz und Vitalität und erfreuen sich des Lebens. Wenn du dir denkst, daß du mit vierzig zu alt bist, um dir noch etwas aus Liebe, Karriere oder deiner Unabhängigkeit zu machen, dann gnade dir Gott!«
    »Das wollte ich gar nicht sagen«, entgegnete Emily, lief aber rot an, und Leslie vermutete, daß sie genau das gemeint hatte.
    Nach dem Frühstück verschwanden Simon und Emily im Musikzimmer, und Leslie räumte ihr Büro auf, fragte den Auftragsdienst ab und ging ihre Akten durch. Susan hatte Christina wieder einmal

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