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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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wie viele Psychiater ihren Patientinnen so lange zugesetzt hatten, bis diese sich die Ansichten ihrer Ehemänner oder Liebhaber zu eigen machten. Noch zu Anfang ihres Psychologiestudiums hatten Therapeuten steif und fest die Meinung vertreten, ›emotional gesunde‹ Frauen würden nicht mit Männern konkurrieren, sondern ihre Hauptaufgabe bestünde in der Vorbereitung auf eine gesunde heterosexuelle Ehe. Zumindest diese Denkweise hatte die Frauenbewegung überwunden. Dennoch fragte sich Leslie, ob ihr Unterbewußtsein ihr auf diese Weise mitteilte, daß sie letztlich nachgeben, Joel heiraten und auf ihren Beruf und ihre Unabhängigkeit verzichten wollte.
    Unsinn. Wäre das wirklich ihr Wunsch – warum hatte sie Joels Antrag dann nicht angenommen? Wahrscheinlicher erschien es Leslie, daß ihr Unterbewußtsein sich auf durchaus gesunde Weise dagegen wehrte, daß Joel die Oberhand behielt.
    Leslie fluchte, als schon wieder das Telefon klingelte.
    »Dr. Barnes? Ich habe genau das richtige Haus für Sie. Wir haben das Angebot erst heute morgen hereinbekommen. Ein nettes ruhiges Viertel in der Nähe von Haight Ashbury, und das Haus hat ungefähr die Größe, die Sie sich vorgestellt haben. Könnten Sie gleich vorbeikommen und sich das Objekt anschauen?«
    »Wie wär’s mit elf Uhr?«
     
    Als der Dunst sich aufgelöst hatte, zog einer der seltenen herrlichen Tage herauf, mit denen San Francisco seine Bewohner für mehr als dreihundert Tage Nebel und Regen jährlich entschädigte. Als Leslie über die Bay Bridge fuhr, spiegelte sich ein strahlend blauer Himmel im ruhigen Wasser. Den gewohnt dichten Verkehr auf der Brücke hatte sie einkalkuliert, doch die Straßen waren nicht allzu befahren, so daß sie gut durchkam und Haight Ashbury fast eine halbe Stunde vor dem Termin erreichte.
    Die Gegend war früher ein Sammelpunkt für Hippies und Esoteriker gewesen, denen Ende der sechziger Jahre Zigeuner und Drogendealer gefolgt waren. Dann war Haight Ashbury eine Zeitlang zu einem Slum verkommen. Derzeit trat das Viertel in einen neuen Lebenszyklus ein, für den irgend jemand das Schlagwort ›Edelsanierung‹ geprägt hatte. Immobilienfirmen kauften billig heruntergekommene Gebäude und alte, halbverfallene Lebkuchenhäuschen aus viktorianischer Zeit, renovierten sie, verpaßten ihnen einen neuen Anstrich und verkauften sie an wohlhabende Kunden. Leslie betrachtete die frisch in leuchtenden Farben gestrichenen Häuschen, die von den Einheimischen liebevoll »Painted Ladies« genannt wurden. Ihr gefiel besonders eines, an dem sich die elfenbeinfarbenen, holzgeschnitzten Zierleisten vor einem Hintergrund aus Wedgwood-Blau abhoben.
    Im Schaufenster eines Ladens für Künstlerbedarf sah sie Pinsel und Leinwand. Mehrere kleine Buchläden öffneten gerade eben, und die Verkäufer schoben Ständer und Wühltische vor die Tür und stellten Schilder auf: »Drei Bände einen Dollar!« oder »JEDES BUCH IN DIESEM STÄNDER 50 CENT!«
    Müßig drehte Leslie einen der Bücherständer. Sie sah schreiend aufgemachte Reißer über fliegende Untertassen oder das Bermuda-Dreieck; ein anderer Band warnte vor den Katastrophen, die bei der Ankunft des Kometen Kohoutek eintreten würden. Leslie blätterte in dem Werk. Für den Verfasser hatte der Komet irgend etwas mit der Offenbarung des Johannes zu tun, und er sagte das Ende der Welt voraus. Leslie erinnerte sich, daß Kohoutek Ende der siebziger Jahre völlig unspektakulär an der Erde vorbeigezogen war. Kein Wunder, daß das Buch sein Dasein jetzt als 50-Cent-Schmöker fristete. Einer ihrer Professoren hatte solche Werke als ›Psychoschund‹ bezeichnet.
    Als Leslie das Buch zurückstellte, streifte sie ein weiteres Taschenbuch mit rissigem Rücken. Unglaubliche Poltergeister, stand da. Verblüfft zog sie es hervor und blätterte ein paar Seiten durch. Trotz des grellbunten Titelbilds besaß der Autor einen respektablen akademischen Grad einer angesehenen Universität. Der Klappentext verriet, daß er als Psychotherapeut praktizierte und im Laufe seiner Arbeit mehrere Male auf Poltergeist-Phänomene gestoßen war. Was hatte sie zu verlieren außer fünfzig Cent? Leslie ging mit dem Buch in den Laden.
    Hinter dem Tresen stand eine Frau mittleren Alters. Sie war zierlich und blaß, besaß jedoch außerordentliche Augen. Leslie hatte das verwirrende Gefühl, die Frau könne allein daran, wie ihre Kundin das Buch in den Händen hielt, deren Geringschätzung ablesen. Sie nahm die zwei

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