Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
ein eigenes Bad …«
    »Da wir nur zu zweit sind, habe ich das eine Badezimmer sowieso für mich.« Emily folgte Leslie die Treppe hinunter, wobei sie immer noch aufgeregt plapperte und überlegte, was sie mit soviel Platz anfangen würde. In ihrer jetzigen Wohnung hatte Leslie ihrer Schwester nur eine ehemalige Abstellkammer als Zimmer bieten können, doch Emily hatte nie durchblicken lassen, wie beengt sie sich darin fühlte.
    »Wir könnten doch einen Fernseher kaufen und in das kleine Zimmer stellen.«
    »Möchtest du denn einen Fernseher, Em?« Leslie hatte nie das Bedürfnis verspürt, sich von einem Gerät unterhalten zu lassen.
    »Nicht unbedingt. Aber manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich auf einem anderen Planeten leben. Zum Beispiel, wenn jemand über etwas spricht, das alle außer mir wissen, weil sie’s in der Glotze gesehen haben.« Zögernd sprach sie weiter. »Wie auf der High-School, als alle verrückt auf Rockmusik waren. Manchmal kam es mir vor, als lägen Welten zwischen den anderen und mir.«
    Wortlos hörte Leslie zu. Zuweilen vertraute Emily sich ihrer Schwester an, hätte ihr aber nie verziehen, wenn sie mitleidig oder auch nur mit einer Bemerkung reagiert hätte.
    »Die anderen Schüler haben mich für eine Art Snob gehalten. Am Ende habe ich mich ziemlich einsam gefühlt. Deswegen schwärme ich auch so für das Konservatorium. Sogar für den alten Whittington. Er spinnt, aber immerhin engagiert er sich für etwas, auch wenn dieses Etwas ein bißchen abgedreht ist. He, können wir jetzt losfahren und mir ein Sandwich besorgen? Ich bin halb verhungert. Und wenn ich eine Drogerie finde, muß ich noch ein Paar Strumpfhosen kaufen.«
    Ehe sie in den Wagen stiegen, ging Leslie noch einmal ums Haus. Sie mußte Emily recht geben: Das fragliche Fenster war selbst für ein gelenkiges Kind unerreichbar. Die Regenrinne lag zu weit entfernt und wirkte zu schwach, um auch nur die weiße Katze tragen zu können, die Leslie in diesem Augenblick noch einmal durch den Garten huschen sah. Gehörte das Tier einem Nachbarn, oder sollte sie versuchen, sich mit der Katze anzufreunden?
    In einer kleinen Imbißstube bekam Emily endlich ihr Eier-Avocado-Sandwich mit einem Berg nicht identifizierbarer biodynamischer Zutaten. Herzhaft biß sie hinein und verputzte es hungrig, ließ sich danach aber zu einem Stück Pecannußkuchen überreden. Leslie bemerkte, daß sie ebenfalls hungrig war – oder bekam sie nur Appetit, weil sie Emily beim Essen zuschaute? Sie bestellte sich eine Zwiebelsuppe, die ausgezeichnet war, wie sich herausstellte. Als Beilage wurde ein großer Rohkostsalat gereicht, und Emily beugte sich immer wieder über den Tisch, um Möhrenstifte und Zwiebelringe zu mausen.
    »Du solltest deine Zwiebeln essen, Les. Die sind gesund.«
    »Das ist mein Spruch. Hast du vergessen, daß ich erwachsen bin und du meine kleine Schwester? Außerdem habe ich heute abend noch einige Patienten. Soll ich die etwa mit meinem Zwiebelatem anhauchen?«
    »Sie würden’s überleben. Würden die Leute sich nicht so viele Gedanken über schlechte Gerüche machen, wäre manches besser auf der Welt.«
    »Du hast dich aber laut genug über den Gestank im Tempel … ich meine, im Atelier … in der Garage beschwert!«
    »Das war ein … ungesunder Geruch«, erwiderte Emily. »Etwas Schmutziges. Zwiebeln riechen sauber und natürlich.«
    Leslie stand der Sinn nicht nach einer Debatte; deshalb reichte sie ihrer Schwester einen Geldschein. »Geh deine Strumpfhose kaufen. Bring mir auch ein Paar mit, und denk dieses Mal daran, daß ich Größe achtunddreißig trage und nicht zweiundvierzig. Ich hole dich dann an der Drogerie ab.«
    Der Himmel wirkte immer noch bedrohlich, aber wenigstens regnete es im Augenblick nicht. Als Leslie an der Buchhandlung vorüberkam, in der sie das Poltergeist-Buch gekauft hatte, fiel ihr ein, daß ihr bisher einziger nützlicher Hinweis aus diesem alten, billigen Taschenbuch stammte. In der Hoffnung, die weißhaarige Frau zu treffen, die anscheinend wußte, wovon sie sprach, trat Leslie ein.
    Diesmal aber waren die Kunden zum größten Teil junge Leute; der Laden war voll, als hätten sie sich vor dem Regen hierher geflüchtet. Mit ihren langen Haaren und ihrer bunten Baumwollkleidung wirkten sie wie aus der Frühzeit der Hippies, ehe Drogen und behördliche Verfolgungen die Blumenkinder hatten aussterben lassen. Eine junge Frau in einem Batikrock, der das lange blonde Haar bis zur Hüfte

Weitere Kostenlose Bücher