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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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aufgelegt.«
    Rotnasig blickte Eileen aus ihrem hochgezogenen Kragen. Der Vater spielt seiner Tochter in die Hände, überlegte Leslie. Erst läßt er zu, daß sie die ganze Familie manipuliert, und wenn es dann zu spät ist, reagiert er mit Strafen.
    »Da warst du wohl sehr böse auf ihn?«
    »Und ob. Ich hab’ ein Recht, meine eigene Mutter anzurufen. Mann, wir sind schließlich nicht pleite! Ich hab’ das Roastbeef aufgegessen, und die alte Matty sagte, dann müßte ich morgen eben Erdnußbutter mit zur Schule nehmen. In dem Moment ist das Glas von der Küchentheke gefallen und zerplatzt. Die Pampe war überall.« Das Mädchen grinste hämisch. »Matty, die alte Kuh, hat gekreischt, ich soll den Mist aufwischen. Da hab’ ich gesagt, von wegen, hab’ ich gesagt, dafür bezahlt mein Dad doch Sie, und bin aus der Küche marschiert. Da ist mein Vater dann auch wütend geworden und hat gedroht, ich müßte den ganzen Haushalt selbst machen, wenn ich die Alte so ärgere, daß sie kündigt. Aber er kann mich nicht dazu zwingen, oder? Es gibt doch bestimmt Gesetze gegen Kinderarbeit.«
    »Ich glaube aber kaum, daß diese Gesetze sich auf Mithilfe im Haushalt beziehen«, bemerkte Leslie taktvoll. »Vielleicht solltest du deinen Vater nicht allzu sehr provozieren, sonst stellst du am Ende noch fest, daß er seine Drohung ernst gemeint hat. Hast du das Glas Erdnußbutter mit Absicht auf den Boden geworfen, weil du keine Schulbrote mitnehmen wolltest?«
    In Eileens Blick mischten sich Trotz und Furcht. »Die Alte behauptet, ich wäre das gewesen, und sie hätte alles gesehen. Aber das stimmt nicht.« Eileen schaute Leslie ängstlich an. »Hätte ich das vorgehabt, dann hätte ich ihr das Glas auf ihren dicken Schädel geschlagen, weil sie mich so angeschrien hat. Aber ich stand fast einen Meter von dem Glas entfernt. Genau wie letztes Mal. Mit dem …« Eingeschüchtert wandte sie sich zur Seite und schaute auf den Aschenbecher. »Wissen Sie noch?«
    Leslie nickte. »Ja, ich erinnere mich. Ich habe es auch gesehen. Weil es tatsächlich geschehen ist, Eileen.«
    Jetzt verlor das Mädchen völlig die Fassung. »Aber wie ist denn so was möglich? Es ist echt passiert, aber mein Vater hat mir nicht geglaubt. Die Sache mit den Tellern, meine ich. Wenn ich was kaputtmachen wollte, dann bestimmt nicht Moms Teller, weil ich das Geschirr nämlich gern hab’. Mom hatte es schon, da war ich noch ganz klein. Es sieht aus wie chinesisches Porzellan, bloß dunkelrosa.« Das Mädchen brach in Tränen aus. »Ich wollte mit irgendwas werfen, aber nicht mit Moms Tellern, ehrlich. Ich dachte immer, wenn sie wieder nach Hause kommt, wartet das alte Geschirr auf sie.« Das Mädchen weinte nun hemmungslos. »Aber dann ist es zerbrochen. Ein Teil nach dem anderen ist in die Spüle gerutscht und in Scherben gegangen …«
    Schluchzend und schniefend verstummte Eileen, nahm wieder einige Papiertücher und schneuzte sich lautstark. »Und Sie glauben mir jetzt wahrscheinlich auch nicht, stimmt’s?«
    »Doch, ich glaube dir«, versicherte Leslie dem Mädchen. »Ein Teil von dir wollte irgendwas zerschlagen und das Geschirr deiner Mutter zerbrechen. Du bist sehr wütend auf deine Mom, weil sie dich verlassen hat, stimmt’s?«
    Eileen hob den Kopf und schaute Leslie ängstlich an.
    »Ja. Manchmal sag’ ich mir, Mom, sag ich mir, wenn du jetzt zurückkommen würdest, würde ich dich anspucken und schreien! Ich brauch’ dich nicht mehr, Mom!«
    »Und ein anderer Teil von dir hat sich erwachsen und verantwortungsvoll verhalten und dir gesagt, du sollst deine Wut nicht an den Tellern auslassen. Aber dein inneres Kind war wütend auf deine Mutter, und sie war nicht da. Also hat dein inneres Kind weiter das Porzellan zerschlagen, während der erwachsene Teil gesagt hat, du sollst damit aufhören. Warum machst du eigentlich nicht die Sachen deines Vaters kaputt? Schließlich bist du wütend auf ihn.«
    »Ich tue das doch nicht mit Absicht«, kreischte Eileen. »Ich dachte, Sie glauben mir!«
    »Ich glaube dir«, erwiderte Leslie. »Ich habe nicht gesagt, daß du mit den Tellern geworfen hast.«
    »Das hab’ ich auch nicht! Ich habe Angst gekriegt und wollte, daß es aufhört. Aufhören, aufhören, hab’ ich geschrien, aber es ging immer weiter …« Um Eileens rote Nase herum war ihr Gesicht kalkweiß geworden.
    »Ich weiß, daß du das Geschirr nicht angerührt hast. Aber ein Teil deines Bewußtseins wollte es zerschlagen. Wie vor kurzem bei dem

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