Die Hüter der Unterwelt - Die Seele der Schlange (German Edition)
seinem Tod gefragt?”, erwiderte Catharina ohne jedes Zaudern. “Nein! Ich frage dich, ob du ihm irgendetwas vor den Kopf gedonnert hast, Viper.”
Mit einem Zittern stellte sie fest, dass sein einstiges Versprechen ihr mehr bedeutete, als der Protest ihrer Vernunft es jemals könnte.
"Doch in dieser Nacht darfst du auf mein Wort vertrauen … dein Vater wird leben, durch dein Opfer."
“´Außer Gefecht setzen´ bedeutet nach meiner Auffassung etwas anderes, Liebes.”
Lächelnd trat Viper auf sie zu und zupfte ein verirrtes Ahornblatt aus Catharinas zerzaustem Haar. “Verwische die schwarzen Runen außerhalb des Schutzkreises und sorge dafür, dass der Wolfshund sich nicht in stürmischer Freude auf ihn wirft.”
Ein letztes Mal nahmen seine Augen die ihren gefangen, bevor sein dunkles Wispern an ihrer Kehle zerschellte. “Leb wohl.”
“Wann kommst du zurück?” Die Frage brannte gefangen auf ihrer Zunge, doch würde Catharina sie niemals dem stillen Wald stellen. In einer tanzenden Aschewolke glitt das Blatt zu Boden.
Ihre Hände schoben das dichte Zweiggeflecht beiseite und gaben den Blick auf die dämmrige Lichtung frei, vom Mond in silbrigweißen Schein getaucht.
Geschmeidig schälte sich Catharina aus den Schatten, ihre Schritte glichen dem Gang einer wachsamen Raubkatze.
Doch als sie der unbeweglichen Gestalt gewahr wurde, die vor der Schwelle ihrer Hütte ruhte, vergaß sie jegliche Vorsicht und jagte über die windumspielte Grasfläche.
Nubes tigerte ruhelos um den dunkelhaarigen Jäger herum, seine Pfotenspur schien einen regelmäßigen Kreis zu ziehen.
“Vater!” Augenblicklich ruckte der Kopf des Wolfhundes in Catharinas Richtung, als er ihren Ruf vernahm, und ein begeistertes Jaulen drang aus seiner Kehle.
Dicht neben Nubes ließ sie sich in die Knie sinken, versuchte die Schulter ihres Vaters zu berühren, doch ihre Handfläche traf auf eine unsichtbare Barriere, steinhart und schützend.
Suchend huschten ihre Augen über den festgetretenen Boden und erkannten eine Ansammlung verschlungener Zeichen, scheinbar in die Erde gebrannt.
Nachdenklich fuhr sie mit den Fingern über die fremdartigen Runen, verwischte die kohlschwarzen Schnörkel und Symbole.
Plötzlich stieß ihr Vater ein heiseres Knurren aus und sprang auf die Beine, sein Gesicht war in einer Maske der Verzweiflung und Entschlossenheit erstarrt.
Eine schmale Narbe zog sich über seine Schläfe, bis zum linken Wangenknochen hinab. Auch das Schlüsselbein und seine schlanken, muskulösen Arme waren von feinen Linien gezeichnet, die sie vor dem Morgen ihrer Entführung niemals gesehen hatte. Lodernder Zorn jagte durch ihre Sinne.
"Was haben diese Bastarde dir nur angetan?"
“Vater?”, hauchte Catharina, leiser diesmal, während die Verzweiflung heiß und bitter in ihrer Kehle brannte. “Erkennst du mich nicht? Bitte, bitte … sieh mich an, Papa.”
Ruckartig fixierten seine flussgrünen Augen ihr Gesicht, Ungläubigkeit und Erkennen schmolzen das Eis in seinen Zügen.
Nur einen Wimpernschlag später schlang er die Arme so fest um seine Tochter, dass es schmerzen müsste, wäre sie in diesem Moment empfänglich für ein anderes Gefühl außer der Liebe zu ihm.
Sie vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge, atmete den geliebten Geruch nach Wald und Leder ein und lauschte singenden Herzens seiner rauen Stimme.
“Mein Kind … Du bist zurückgekommen, lebendig, unversehrt. Kleine Eule, niemand wird uns je wieder trennen, hörst du? Eher sterbe ich, als dich noch einmal zu verlieren. Ich liebe dich, Tochter …”
“Niemand kann uns trennen, Vater”, wisperte Catharina leise und verflocht zärtlich ihre Finger in Nubes Nackenfell, als der Wolfshund seinen Kopf an ihre Seite schmiegte.
“Weder die Menschen, noch Himmel und Hölle selbst.”
Morgenrot
Noch bevor sie die Augen öffnete, war ihr bewusst, dass der Tag kaum angebrochen sein konnte. Dämmerlicht sickerte zögerlich durch die Fenster, dunkelblauen Schatten tanzten an den Wänden.
Geräuschlos wand sie sich unter Bettfellen, Moos und Nubes warmen Flanken hervor und setzte sich auf.
Ruhelos waren ihre Träume gewesen. Die Seele der Jägerin forderte heißblütig nach einem Kampf, verlangte danach ohne Furcht leben und jene beschützen zu können, die sie am meisten liebte.
Ihr Blick verharrte auf den Zügen ihres Vaters, im Schlafe so entspannt und glücklich. Niemals könnte sie sich vorstellen, ihn zu verlieren … sein
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