Die Hüter der Unterwelt - Die Seele der Schlange (German Edition)
Was macht Schwarz zu Schwarz und Weiß zu Weiß? Seit Jahrtausenden sind wir die Dunkelheit, also beantworte mir meine Frage!
Was ist Gut und Böse?”
Und die Sirene ertappte sich dabei, wie sie das Rätsel zu lösen versuchte … die Frage auf die es keine Antwort gab.
Stille senkte sich nebelgleich über den Sagenwald. Die Kinder des Raben sanken zischend herab - reglos - nur ihre gelben Augen folgten jeder Bewegung.
“Eine Gunst sei dir gewährt”, knurrte ihr Meister nach ewiglichem Schweigen, erstickte beinahe an den Worten.
“Bezaubernd …” Unverhohlener Triumph klang aus Vipers Schnurren. Scheinbar nachdenklich musterte er den Raben. “Ich kann dich vielleicht nicht töten, mein Bruder … doch ich kann eine Statue für meinen zukünftigen Garten verlangen. Und dies wird meine Gunst sein. Eine Hülle aus Stein soll deinen Körper umschließen, bis du des Rätsels Lösung gefunden hast!”
“Sei verdammt, Viper!”, brüllte der Höllenfürst dem Wahnsinn nahe. Mit einem animalischen Laut stürzte er nach vorn, obwohl blaue Stichflammen drohend aus dem Bannkreis loderten.
Viper rührte sich nicht. Verharrte in vollkommener Entspannung auf den Fußballen und musterte seinen Bruder mit lächelnden Augen.
Silberweiße Schlieren verhärteten die Rabenschwingen wie glatten Granit, auf das der Wind ihre Federn nicht mehr zu zausen vermochte.
Nur einen Wimpernschlag später erstarrte sein Gesicht in einer Maske ewigen Hasses und Zorns. Verengte Augen, gebleckte Zähne und Klauen, bereit nach Vipers ungerührter Gestalt zu schlagen. Sonnenlicht schimmerte auf der seidengrauen Statur.
“Tztztz …” Tadelnd schnalzte er mit der Zunge. “Diese reizende Figur werde ich wohl nicht mit mir herumtragen. Ihre verstimmte Aura schlägt sicher aufs Gemüt.”
Argwöhnisch ließ Catharina ihre Blicke seinen geschmeidigen Rücken hinaufwandern. So spöttisch die Worte auch klingen mochten, an den Rändern ihrer Seele glaubte sie etwas anderes wahr zu nehmen.
'Was ist nur aus uns geworden, Luhiell?' Völlig unvorhergesehen erklang seine Stimme hinter ihren Schläfen. Und für einen Herzschlag sah sie eine tiefe Erinnerung, funkelnd wie das Licht auf den Meereswellen und ebenso schnell wieder entflohen.
Luhiell, charismatisch und einzigartig in seinem Eigensinn. Ein Taktiker, Krieger, Sturkopf und Spieler. Sein Jähzorn macht es schwer, nüchterne Gespräche mit ihm zu führen - jedoch umso spannender, mit ihm zu streiten. Der Erste im Kampf und der Letzte im Ballsaal, wenn Kyrael seine Brüder auf die Tanzfläche scheucht. Ist die Katze besonders guter Stimmung, nimmt Viper nur allzu gern neben Luhiell Platz. Vom Kronleuchter herab beobachten sie selbstzufrieden wie ihr jüngster Bruder suchend durch die Festhalle wuselt.
Ach, Luhiell … Rücken an Rücken kämpfen sie gegen Gabriels Heerschare, Vertrauen und pulsierender Einklang bestimmen ihren gemeinsamen Kampfestanz. Und während all seine Brüder in stummer Konzentration die Feinde herausfordern, flucht Luhiell aufs Unflätigste - als gäbe es tatsächlich kein Morgen mehr.
Viper kann sich das Lachen nicht verbeißen.
“Was suchst du in meinem Kopf, Liebes?”, erklang seine trügerisch sanfte Stimme in ihr. Die Erinnerung verblasste.
Hastig zog sie sich zurück, vermochte selbst nicht zu verstehen, was geschehen war.
***
Es verwunderte Viper kaum, die schillernde Berührung ihres Geistes wahrzunehmen. Fremd und zugleich vertraut.
Er wusste, dass jenes Band, ihre Seele an der seinen, mit dem Erwachen ihres zweiten Selbst noch stärker geworden war. Viper konnte spüren wie das Blut einem Feuerstrom gleich durch ihre Adern jagte, die ungezügelte Mordlust nur allmählich verklang.
Langsam glitt er aus der Hocke und wandte sich zu seiner kleinen Sünde um - wissend, dass ihr Anblick nicht unbedingt zu seiner Beherrschung beitragen würde.
Sie war wunderschön. Unwirklicher als er es sich in seiner Vorstellung hätte ausmalen können. Ihre Augen glichen glühenden Eiskristallen, die Schwingen bebten noch immer im abklingenden Kampfesrausch. Die Kupferfedern überzogen ihre Wangenbögen, verjüngten sich unter ihren Augenwinkeln zu filigranen Linien. Wie seidige Klingen sprossen sie hingegen auf ihrem Nacken und der Kopfhaut, mit dem unbändigen Haar verflochten.
In den Nuancen ihrer Gestalt spiegelte sich das Morgenrot.
Sie trat einen Schritt zurück, wachsam, verwirrt und angespannt. Suchte nach den Kindern des Raben und sah
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