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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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ab, damit er nicht auch noch ihren Duft wahrnehmen musste, der sanft von ihrer erwärmten Haut aufstieg.
    »Wir werden noch mehr schwere Wagen benötigen«, sagte er stattdessen zu Wil. »Aber wir dürfen den Bauern nicht die Möglichkeit nehmen zu ernten, sonst kommt es zu einer Hungersnot und Tod noch vor dem Frühling.«
    Sie begannen ein Gespräch darüber, wie man die Bedürfnisse des Kriegsherrn und die der Bewohner des Landes am besten miteinander in Einklang brachte, und Leof gelang es eine Weile, Sorn zu ignorieren. Bis sie aufstand, um sich zum Abschied zu verneigen, und die Männer mit ihr aufstanden und sich vor ihr verneigten und ihrer aller Blicke sich begegneten, während sie allen Blicken begegnete, denn das schrieb
die Etikette vor. Es durfte nichts Auffälliges geben, nicht einmal einen Mangel an Höflichkeit, was ein Zeichen dafür gewesen wäre, dass sie anders miteinander umgingen. Doch in diesem Augenblick erkannte er hinter ihrer Gelassenheit, hinter ihrer Höflichkeit und sogar hinter ihrer verborgenen Sehnsucht Furcht.
    Die ganze Nacht über zerbrach er sich den Kopf über diesen flüchtigen Blick. Wovor hatte sie Angst? Vor Betrug? Liebe? Oder vor etwas, das sie sich nicht eingestehen wollte … Hatte sie Angst vor Thegan?
    Tief in seinem Inneren wusste er, dass sie Recht daran tat, Angst zu haben. Thegan würde unversöhnlich sein. Kein Kriegsherr würde auch nur einen Hauch von Untreue bei seiner Frau durchgehen lassen, die seine Erben gebar, selbst wenn diese Frau unschuldig war. Es durfte kein Getuschel geben, das die rechtmäßige Erbfolge der Domäne infrage stellte. Erst vor zwanzig Jahren hatte der Kriegsherr der Far South Domain, der alte Elbert, seine Frau garottieren lassen, weil sie während der Festlichkeiten bei Springtree mit einem anderen Mann getanzt hatte. Weil alle Beobachter darin übereinkamen, sie habe selbst daran Schuld, hatte er keine Probleme, eine zweite, jüngere Frau zu finden. Allerdings brachte die zweite Ehe keine Kinder hervor. Die Götter waren also womöglich anderer Meinung gewesen.
    Einzig die Erbfolge war wichtig. Falls Leof Thegan Hörner aufsetzte - der Gedanke traf ihn unvorbereitet, voller Gefahr und Erregung -, konnten Leofs Söhne die Domäne erben. Dies warf bei ihm die Frage auf, wieso Sorn keine Kinder geboren hatte. Thegan hatte einen Sohn - nur einen freilich -, und er war doch ein ansehnlicher Mann, der nach dem Tod seiner ersten Frau nicht enthaltsam gelebt hatte. Vor seiner Ehe mit Sorn hatte er ein Dutzend Frauen gehabt, von denen Leof wusste, und bestimmt noch eine Menge
mehr. Aber Bastarde gab es keine, zumindest keinen in der Cliff Domain und auch keinen hier, von dem Leof gewusst hätte. Kriegsherrn protzten im Allgemeinen mit ihren Bastarden. Thegan nicht.
    Seine Gedanken richteten sich auf Gabra, den Sohn in der Cliff Domain, der, soweit Leof es beurteilen konnte, nie viel Liebe von seinem Vater erfahren hatte. Er fragte sich, wessen Sohn Gabra wohl sein mochte und ob Thegan ihn unwissentlich angenommen hatte, als Hahnrei, oder ob er seine Zeugung arrangiert hatte. Seine Frau verkuppelt? Nein, nein, das war nicht möglich. Brambles Warnung hallte in seinem Kopf wider. Trau ihm nicht. Fieberhaft tauchte Leof wieder in die Erinnerungen an Bramble ein und benutzte diese, um sich gegen Untreue zu feien. Aber seine Erinnerungen an Bramble waren von Verlangen geläutert worden, und sie taugten nicht als Schutz vor dem Begehren nach Sorn.
    Verrückterweise ließ ihn das fehlende Verlangen nach Bramble deren Warnungen eher Glauben schenken. Oder war es bloß einfacher zu glauben, ein Betrug sei entschuldbar, wenn er sich gegen jemanden richtete, der seine Loyalität nicht verdient hatte? Er schlug auf sein Kissen ein und zwang sich dazu, noch einmal den Bestand an Speeren und Steinschleudern in der Rüstkammer durchzugehen, bis seine Gedanken sich beruhigten und er lange Zeit später endlich einschlief. Als er im frühen Licht des Tages erwachte, war er entschlossen, den Schein weiterhin zu wahren, bis aus dem Schein Wirklichkeit geworden war.

    An diesem Morgen überwachte er den Bau einer großen Trockenkammer am Rand der Festung, unmittelbar vor den Mauern. Im Herbst würden sie die Hälfte der Herden schlachten und das Fleisch für winterliche Eintöpfe und als Marschverpflegung für die Truppe trocknen lassen. Er verzichtete
auf das Mittagessen, um die Grundsteinlegung des neuen Tors in der Südmauer zu beaufsichtigen. Das musste

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