Die Hueterin der Geheimnisse
sprangen über den Rand von Stromschnellen wie ein durchgegangenes Pferd. Es war wunderschön, es war das Schönste, was bisher geschehen war.
Baluch lachte und jauchzte auf ihrer Fahrt, und hinter ihm hörte sie, wie Acton es ihm gleichtat. Baluch schaute sich rasch um, und sie wechselten Blicke, ihrer beider Augen
leuchteten, während sie lachten und unbändige Freude empfanden. Freude am Risiko, dachte Bramble. Sie lieben es, und das tue ich auch.
Es war allzu schnell vorbei. Das Boot schwang über die Kante eines Abbruchs und landete in hohem Bogen in einem flachen Kiesbett hinter einem Biberdamm. Die Stümpfe der kleinen Birken, welche die Tiere beim Dammbau gefällt hatten, umgaben das Becken. Weiter dahinter lag ein Wald; Birken und Buchen, Eichen und Erlen, Ebereschen und eine große, dunkle Stechpalme standen am Waldessaum.
»Zieht es hier an Land, Jungs«, rief Acton, worauf die Männer, etwa zwanzig an der Zahl, vier jeweils auf einer Bank, ihr Ruder ins Wasser tauchten und das Boot ans Ufer ruderten, wobei sie es mit einem letzten, kräftigen Ruderschlag auf den Kies trieben. Erleichtert kletterten sie hinaus. Einer von ihnen, ein großer Rothaariger, der auf einem Auge leicht schielte, murrte dabei die ganze Zeit.
»Das ist kein Leben für einen Krieger«, sagte er zu einem kleineren Mann mit kräftigen, breiten Schultern. »Ich will mit einem Schwert in der Hand sterben, nicht mit einem Ruder.«
Der Mann klopfte ihm auf die Schulter, woraufhin ihn der Rothaarige unfreiwillig anlächelte, so wie man einen ganz alten und lieb gewordenen Freund anlächelt.
»Bald wird es selbst für dich genug Schwerter geben, Red«, rief Acton zu ihm hinüber und grinste. »Ohne Kampf werden sie den Hafen nicht aufgeben.«
Red lächelte säuerlich, zog sich demonstrativ sein Wams aus und wrang einen Schwall Wasser aus ihm heraus. Die Männer lachten.
Im nächsten Moment schwamm das zweite Boot heran, ein wenig langsamer. Asgarn stand am Bug. Er hob die Hand zum Gruß, und das Boot landete neben dem von Acton.
Seine Männer zogen das Boot auf den Kies hinauf, und Asgarn sprang heraus. Er machte nicht den Eindruck, als habe ihm die Fahrt große Freude bereitet. »Hier können wir gut lagern«, sagte er.
Baluch überließ es ihnen, die Lebensmittel auszupacken, und wanderte ein Stück flussaufwärts zu einer Stelle oberhalb des Biberdamms, wo der Wald bis an den Fluss heranreichte. Dort blieb er stehen und betrachtete das Schatten werfende Grün, während in seinem Kopf eine Musik aus Flöte und Pfeife erklang, eine wehmütige, sehnsüchtige Musik, die ihm einen Schmerz in der Brust verursachte.
Acton gesellte sich zu ihm und setzte sich auf einen Fels am Ufer des Flusses, der über das brausende Wasser hinausragte. »Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen«, sagte er, während er den dichten Wald betrachtete. »So viele Bäume!«
Baluch nickte. »Es ist ein reiches Land. Der Wald erstreckt sich bis hin zum See.«
»Eines Tages musst du mich mal dorthin mitnehmen«, sagte Acton ruhig.
Baluch biss sich auf die Lippe. »Sobald du T’vit hast, gehe ich wieder«, sagte er.
»Wohin?«
»Zurück zum See.«
Acton stand auf und wandte sich ihm zu. »Dort ist etwas geschehen, nicht wahr?« Ein neckisches Lächeln erhellte sein Gesicht. »Hast du dich in eines der Seemädchen verliebt?«
Baluch zog den Kopf ein. Bramble glaubte, er sei peinlich berührt, aber sein Herz schlug ganz ruhig. In seinem Kopf schwirrten Erinnerungen herum, aber sie konnte sie nicht einfangen.
»Nicht in eines der Mädchen.« Er legte eine Pause ein, als
suche er nach dem richtigen Wort. »Etwas … ruft mich. Sogar jetzt kann ich es hören. Wie Musik oder ein Flüstern in der Nacht. Der See ruft mich. Ich muss zurück.«
Acton legte die Stirn in Falten. »Nicht allein«, sagte er. »Begleite mich auf die erste Reise zu den Wind Cities, und auf dem Rückweg komme ich mit dir.« Baluch schnitt eine Grimasse, woraufhin Acton ihm einen Klaps auf die Schulter versetzte. »Du darfst fremden Frauen, die dir nachts ins Ohr flüstern, nicht trauen, Bursche. Du brauchst deinen Onkel Acton, der nach dir schaut und dich vor Flittchen und Zauberinnen beschützt.«
Diese Worte brachten Baluch zum Lächeln. »Du willst doch bloß eine für dich!«, sagte er. Sie lachten.
»Komm mit mir in die Wind Cities, Bal«, sagte Acton geradezu schmeichelnd. »Dann begleite ich dich zu deinem See.«
Baluch seufzte. Bramble hörte, wie die Musik in
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