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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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neben die Leichen, während die Frauen einen Halbkreis um sie bildeten, um ihr zuzuschauen. Sie hielt das Messer empor und fing an zu sprechen.
    »Götter des Feldes und des Stroms, höret eure Tochter. Götter des Feuers und des Sturms, höret eure Tochter. Götter der Erde und des Felsens, höret eure Tochter.« Bramble kam diese Beschwörung bekannt vor. Seit sie begriffen hatte, dass die Götter für sie übersetzten, war sie sich dessen zum ersten Mal deutlich bewusst, denn dies waren Worte, die sie kannte. Sie kannte sie in beiden Sprachen, der ihren und Terns.
    »Götter des Himmels und des Windes, höret eure Tochter«, sagte Tern. Mit ihrer freien Hand nahm sie Crabs und hielt sie fest. Crab wurde blass, behielt aber ihren Ausdruck von Wut und Entschlossenheit bei. Tern fuhr damit fort, die Götter um etwas zu bitten, doch zum ersten Mal übersetzten die Götter Bramble dies nicht. Es war, als wollten sie
nicht, dass Bramble diese Worte verstand. Verzweifelt versuchte sich Bramble zu erinnern, aber die Worte waren zu fremd für sie - und für alle anderen ebenfalls, erkannte sie nun, denn Snapper blickte verwirrt. Hier und da schnappte Bramble eine Silbe auf, verstand jedoch nichts und war genauso überrascht wie Piper, als Tern das schwarze Steinmesser hob und sich in die Hand schnitt, wobei sie ihren Arm in einem weiten Bogen herumschwenkte, sodass die Blutstropfen auf alle Leichen fielen.
    Die Geister erhoben sich, traten aus ihren Körpern hervor und stellten sich schwankend und unsicher neben sie. Sie waren mit einer Waffe in der Hand gestorben und umklammerten diese nun auch im Tod: ein paar Schwerter, eine Reihe von Hackbeilen, meistens Jagdspeere. Sie waren deutlicher zu erkennen als andere Geister, die Bramble zu Wiedergängern hatte werden sehen. Sie konnte nicht durch sie hindurchschauen. Sie waren stofflich. Echt.
    Bramble spürte, wie sich Pipers Kehle zusammenzog und ihr ganzer Körper verkrampfte, als Salmon sich erhob, sich umschaute und sie ansah. Es erschütterte Bramble. Salmon war ein gewöhnlicher Mann, mittelgroß, mit unansehnlichem, pockennarbigem Gesicht. Er hielt ein Schwert, und seine Kehle war durchgeschnitten, wobei die dunkle, klaffende Wunde auf grauenhafte Weise sichtbar wurde. Doch seine Augen waren freundlich, und sie waren es auch, in die Piper suchend blickte; was immer sie suchte, sie fand es, denn sie stieß einen langanhaltenden, bebenden Seufzer aus.
    Salmon machte Anstalten, auf Piper zuzugehen, doch Tern signalisierte ihm zurückzubleiben. »Ihr seid tot«, sagte sie. »Ich habe eure Geister erweckt, damit ihr euch eure Stadt von den Eindringlingen zurückholt. Ihr könnt nicht noch einmal sterben, sie aber wohl. Folgt mir. Vernichtet sie, und eure Frauen und Kinder können in Sicherheit leben.«

    Salmon streckte seine bleiche Hand aus, um Tern zu berühren, doch die Hand fuhr glatt durch sie hindurch. Tern zitterte nicht einmal. In diesem Augenblick wurde Bramble klar, dass sie wahnsinnig war. Sie erinnerte sich an dieses Gefühl; nur wer ganz auf sich selbst bezogen war, konnte davon unberührt bleiben.
    Verwirrt betrachtete Salmon seine Hand und schaute Tern dann fragend an. »Ich werde euch Stärke verleihen«, versicherte sie ihm. »Mein Tod wird euch Körper geben, mit denen ihr kämpfen könnt.«
    Die anderen Geister erhoben ihre geballten Fäuste und stießen trotzige Rufe aus, die jedoch niemand hören konnte. Ihre Verletzungen waren deutlich zu erkennen; einigen fehlten Arme, anderen hingen die Gedärme aus dem Leib.
    Salmon nickte, schaute dann zu Piper hinüber und lächelte, versuchte es jedenfalls. Auf seinem Gesicht spiegelten sich schwierige Gefühle wider, und Bramble begriff, dass der Strom der Liebe, der seine Frau erfüllte, auch durch ihn floss. Zum ersten Mal beneidete sie eine andere Frau. So stark zu lieben und dann auch noch auf Gegenliebe zu stoßen … Nun, von diesem Traum konnte sie selbst sich verabschieden. Das hatte ihr ein Dämon, der sich eines menschlichen Körpers bemächtigt hatte, in einem Gasthof in Sandalwood gesagt. »Nie wirst du einen Mann lieben«, hatte er gesagt, und sie glaubte, es akzeptiert zu haben. Es akzeptieren zu müssen. Aber es war hart, auch wenn sie wusste, dass Liebe den großen Kummer hervorrufen konnte, den sie nun durch Piper strömen fühlte. Das Baby verlagerte seine Position auf Pipers Hüfte, und Salmons Blick richtete sich auf das Kleine und wurde weich. Ihre Liebe hatte Piper das Baby geschenkt, und

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