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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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forschendem Blick.
    Er lächelte sie unsicher an. »Endlich habe auch ich ein Geheimnis, hinter dem du her bist. Aber das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür, Nichte.«
    »Sag es mir«, flehte sie ihn nun geradezu an.
    Er schüttelte den Kopf. »Mach dir jetzt keine Gedanken darüber. Spannt einfach das Seil und haltet es stramm.«
    In Safreds Miene spiegelten sich Verärgerung und Unverständnis wider. Bramble begriff, dass Dinge zu wissen, Dinge erzählt zu bekommen für Safred so notwendig war wie die Luft zum Atmen. Sie hieß Quelle der Geheimnisse, weil diese Geheimnisse, sobald sie erzählt worden waren, nie wieder ausgesprochen wurden und wie in einer tiefen Quelle verschwanden. Doch sie zog diese Geheimnisse mehr wie ein Sog denn wie eine Quelle an sich. Sie saugte sie auf, als bedeuteten sie für sie alles. Martine starrte Safred an, als begreife nun auch sie es. Als sie bemerkte, dass Bramble sie anschaute, wölbte sie eine Braue, als wolle sie damit sagen: »Interessant, nicht wahr?«
    Cael nahm das Seil um die Kiefer ab, das sie als Winde benutzt hatten, und Martine zog den Rest davon auf ihre Seite zurück. Kritisch schaute sie den nächstgelegenen Baum an. Bramble riss ihr das Seil wütend aus den Händen. Dann löste sie den Zügel von Zels Fuchs und stopfte ihn sich in den Gürtel.
    »Erzähl mir jetzt nicht, dass auch du als junges Mädchen nicht auf Bäume geklettert bist«, sagte sie, während sie sich auf den niedrigsten Ast schwang. Zum Glück hatten die Kiefern in der Nähe des Flusses auch direkt am Boden Äste, und so war es recht einfach, hinaufzuklettern.
    Martine erwiderte nichts, doch Zel antwortete für sie.

    »Wanderer tun das so gut wie nie«, sagte sie. »Die Leute brüllen einen an, wenn sie es sehen. Manchmal werfen sie auch mit Steinen.«
    Bramble schnaubte. Sie war unzählige Male angebrüllt worden, als sie auf die Bäume anderer Leute geklettert war, aber niemand hatte je mit Steinen nach ihr geworfen. Sie war ja auch nicht wirklich eine Wanderin, sondern nur Maryroses wilde kleine Schwester. Bei den Göttern, wie sehr sie diese verlogene Einstellung gegenüber den Wanderern hasste! Sie war so alt wie fauler Fisch. Bramble legte ihre ganze Wut in das Klettern und ignorierte die Kratzer, die ihr Kiefernzweige und Rinde zufügten. An einer Stelle, an der ein Ast abgebrochen war und eine Lücke hinterlassen hatte, durch die sie schwingen konnten, befestigte sie das Seil. Es war nun straff über dem Wasserlauf gespannt. Am Ende würde sie allerdings die Beine hochheben müssen, damit sie bei der Landung nicht das Wasser berührte.
    Sie balancierte auf dem darunterliegenden Ast, nahm den Zügel doppelt und legte ihn über das Seil. Dann packte sie mit den Händen die Enden des Zügels. Das Prinzip hatte sie verstanden: Wenn man sich am Zügel festhielt, würde das eigene Körpergewicht einen am Seil hinab auf die andere Seite gleiten lassen. Ihr kam es so vor, als sei das Seil ausgefranst und der Zügel zu dünn. Sie konnte sich das Genick brechen, einfach in den Fluss stürzen und von dem, was Cael verletzt hatte, zerrissen werden. Sie grinste und spürte, wie ihr Blut wieder einmal durch drohende Gefahr in Wallung geriet. Dann sprang sie vom Baum hinunter.
    Schwindel erregend schnell glitt sie am Seil entlang. Bramble versuchte, die Beine rechtzeitig nach oben zu heben, sodass diese auf der anderen Seite des Flusses nicht das Wasser berührten. Doch in diesem Moment packte schon etwas Unsichtbares ihren Knöchel und riss daran. Als sie ins
Wasser stürzte, spritzte es so auf, dass ihr einen Moment die Sicht genommen wurde.
    Sie rappelte sich hoch, blinzelte, um wieder sehen zu können, und stellte fest, dass das, was sie heruntergerissen hatte, doch nicht unsichtbar war. Es war ein Mann, nein, eine Frau, nein, etwas nur beinahe Menschliches, das lässig am Ufer stand und angesichts ihres zerzausten Zustands und ihrer Verwunderung lachte.
    Alles um sie herum war verändert, und sie war derart perplex, dass für andere Gefühle kein Platz war.
    Eine Bewegung zog ihren Blick auf sich, und das Wesen am Ufer schaute, nach wie vor lachend, ebenfalls dorthin. Zwischen den Bäumen floh eine Herde Rotwild, doch von einer Sorte, die Bramble noch nie gesehen hatte, mit einem breiten weißen Streifen auf dem Rücken und schwarzen Läufen. Die Tiere sprangen über Gestrüpp und umgestürzte Bäume, durch Unterholz, das den Rest des Waldes verbarg. Was vor ihrem Sturz Kiefern gewesen

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