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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Nachmittags im späten Winter kam er zu mir. Der Rest der Männer war draußen, um entlaufene Kühe zu suchen. An jenem Tag protestierte mein Rücken bei jeder Bewegung, so weit fortgeschritten war meine Schwangerschaft. Bis das Kind kam, konnten es nur noch ein paar Tage sein. Gris reichte mir einen Reisebeutel, der mit Trockenfleisch gefüllt war.
    »Es ist sogar im Sommer eine beschwerliche Reise«, sagte er. »Es wird Frühlingsbeginn sein, bis du wieder reisefähig bist, und dann wirst du unterwegs bei Kräften bleiben müssen.«
    Ich nickte. Ich spürte, dass ich mit diesem Mann in einem größeren Maße verbunden war. »Mein Sohn wird dein Sohn sein«, sagte ich. »Wenn er erwachsen ist und du einen Nachfolger benötigst, lass nach ihm schicken, und er wird kommen.«
    Er stand eine ganze Weile da, ohne etwas zu sagen. »Er wird unsere Völker vereinen«, sagte er schließlich. »Und mit Gerechtigkeit herrschen.«
    Ich nickte förmlich und akzeptierte damit das, was er sagte. Damals ging ich davon aus, viele Söhne zu haben, noch einmal zu heiraten und eine Familie mit einem Mann meiner Wahl zu gründen. Später stellte ich fest, dass jede Gefälligkeit der Götter einen Preis hat. Nie wieder schaute ich einen Mann mit Verlangen an, ganz gleich wie beliebt
oder wie freundlich er war. Andernfalls hätte ich Elric Elricsson geheiratet, weil er ein guter Mann und ein liebenswerter Vater war, aber es wäre für ihn ein schlechter Handel gewesen, eine Frau zu bekommen, in der sich keine Leidenschaft regte. Ich glaube, die Götter hätten es übelgenommen.
    Das Wochenbett war hart, doch das ist es ja immer. Obwohl ich eine Fremde war, behandelten mich die Frauen anständig und freundlich, sogar Siggi. Sie nahm die Matratze aus meinem Bett und füllte reichlich Stroh hinein, was nur gut war, da ich eine Menge Blut und Fruchtwasser verlor. Nun, vielleicht muss ich darüber gar nicht sprechen. Wenn die Geburt erst einmal vorbei ist, ist sie eine persönliche Angelegenheit, eine Erinnerung an Dunkelheit und Schmerz und durchdringende Freude.
    Vielleicht waren sie deshalb freundlicher zu mir, als ich erwartete, weil meine Wehen in der Nacht vor Frühlingsanfang einsetzten und sich alle auf den Festtag vorbereiteten und nach dem rauen Winter in gehobener Stimmung waren. Mein Sohn erblickte bei Sonnenaufgang das Licht der Welt, was bei diesem Volk als Omen dafür galt, dass aus ihm einmal ein großer Mann werden würde. Sein Vater war gerade dabei, für Springpole eine kleine Eiche zu fällen, als man ihn zu dem Neugeborenen rief. Deshalb verkündete er, der Name des Kindes werde Acton lauten, was so viel bedeutete wie der Platz der Eiche. Ich war zufrieden mit dem Namen. Eine Eiche ist ein starker und langlebiger Baum und bietet Vögeln und anderen Tieren Nahrung und Schutz. Dennoch habe ich nie verstanden, warum dieses Volk einen Baum tötet, um den Frühling zu begrüßen, die Jahreszeit der Geburt. Bei meinem Volk benutzen wir einen lebenden Baum, befestigen Schleifen an ihm und tanzen um ihn herum.
    Von der Niederkunft erholte ich mich schnell, tat jedoch so, als sei ich noch ganz schwach. Ich glaube, Siggi
schöpfte Verdacht, aber da ich auf diese Weise Hard-hand von meinem Bett fernhielt, verriet sie mich nicht. Ich schob das Zeremoniell der Namensgebung des Babys so lange hinaus, wie ich konnte, bis meine Kräfte wiedergekehrt waren, denn ich wusste, dass Hard-hand an diesem Abend lange trinken und dies meine beste Gelegenheit zur Flucht sein würde. Auch das Baby war stark und tat alles mit Inbrunst; es weinte nicht, sondern saugte kräftig an meiner Brust, trat um sich und schwang seine kleinen Fäustchen gegen die Leinentücher. Der Kleine konnte erst dann einschlafen, wenn seine Hände frei waren. Die anderen Frauen tadelten mich, weil ich ihn gewähren ließ.
    »Seine Arme werden krumm wachsen, wenn sie in der Nacht nicht fest an seine Seiten gebunden sind«, sagte eine von ihnen.
    »Wenn er größer ist, wird er nicht zu bändigen sein, wenn du ihn jetzt nicht festbindest«, unkte eine andere.
    Nun, damit sollte sie Recht behalten. Aber ich war so müde, dass ich ihm die Hände frei ließ, damit er schlafen konnte und ich neben ihm.
    Als es danach aussah, dass uns ein paar Tage gutes Wetter bevorstanden, beraumte ich den Namenstag für den folgenden Tag an. Kurz vor dem Morgengrauen nahm ich Acton die Kleider ab und wickelte ihn in ein Tuch ein, wie Siggi es mir geraten hatte. Sie lächelte, und das bereitete

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