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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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mir Sorgen. Doch nun, da das Jahr bald vorbei war und es Zeit wurde, dass sich die Prophezeiung der Götter bewahrheitete, lächelte sie immer häufiger. Hard-hand trug das Kind zum schwarzen Felsaltar und legte es darauf. Dann nahm er das Tuch weg, sodass mein Baby nackt auf dem Fels lag.
    »Götter des Feldes und Wasserlaufs, höret euren Sohn. Götter des Himmels und des Windes, höret euren Sohn. Götter der Erde und des Felsens, höret euren Sohn. Götter
des Feuers und des Sturms, höret euren Sohn. Ich bringe euch einen neuen Sohn: Acton, Kind des Frühlings. Er ist euer Opfer.«
    Dann zückte er sein Gürtelmesser. Ich konnte es nicht fassen. Ich wollte mich auf ihn stürzen, doch Siggi hielt mich zurück, wobei sie bösartig grinste. Hard-hand ließ sein Messer in Richtung des Altars niederfahren. Doch im letzten Moment, als ich mich Siggis Umklammerung gerade entwand, brachte der Seher ein kleines Rehkitz zum Vorschein und hielt es über Acton, sodass das Messer nur dem Kitz die Kehle durchschnitt und das Blut über Fels und Kind spritzte. Mein Junge schrie auf, aber nicht vor Angst; er versuchte, ich schwöre es, das Messer zu packen. Alle stießen einen Laut der Überraschung aus, und Hard-hand fegte das Kitz beiseite, hob das Baby auf und hielt es hoch über seinen Kopf. In diesem Augenblick trat die Sonne hinter dem Berg hervor und tauchte ihn in Licht. Das Blut hob sich dunkel von seiner Haut ab.
    »Mein Sohn ist schon ein Mann!«, rief Hard-hand, und alle jubelten.
    Sie alle, Männer wie Frauen, tranken den ganzen Tag über, und als der Abend dämmerte, fing Hard-hand fast schon an zu schnarchen. Als Acton gefüttert war und schlief, ging ich zu Hard-hand, nahm ihn an die Hand und führte ihn in unser Zimmer. Seine Männer machten deshalb anzügliche Witze, und Hard-hand rülpste und lachte mit ihnen.
    Zum ersten Mal seit Actons Geburt lag ich Hard-hand wieder bei. Seltsam, zum ersten Mal ging er sanft mit mir um. Er war noch nie betrunken zu mir gekommen, und ich fragte mich und habe mich seitdem häufig gefragt, ob sich in diesem Moment sein wahres Wesen zeigte, weil er von dem Trinken und seinem Glücksgefühl überwältigt wurde, oder ob es nur eine Ausnahme war, verursacht von den alkoholischen
Getränken. Ich tötete ihn im Schlaf mit seinem eigenen Gürtelmesser, indem ich ihm die Klinge tief in den Nacken trieb, weil ich nicht sicher war, wohin ich stechen musste, um sein Herz zu treffen. Und so starb er, ohne je zu erfahren, dass ich ihn getäuscht hatte. Wenn er nicht an diesem letzten Abend sanft zu mir gewesen wäre, hätte ich gar nicht das Gefühl gehabt, ihn zu täuschen. Habe ich einen Fehler gemacht? Noch heute weiß ich nicht, ob das, was ich getan habe, Mord war oder etwas, das keinen Namen hat, weil die Notwendigkeit für Frauen, hinterhältig zu töten, keinen Namen hat. Jedenfalls ging ich weinend aus jenem Zimmer, und damit hatte ich nicht gerechnet.
    Die Männer waren dort eingeschlafen, wo sie gesessen hatten. Außer Gris. Mit Acton in den Armen bahnte ich mir einen Weg durch die schnarchenden Männer und gelangte so zum Stall, wo Gris schon auf mich wartete. Er hatte bereits ein gutes Pony für mich gesattelt, hielt eine Landkarte in den Händen und meine mit Lebensmitteln und Kleidern gefüllte Satteltasche. Ich gab ihm einen Teil meiner Kleider und Actons Windelbänder. Wir hatten vereinbart, dass er sie zu einer Klippe bringen würde, die für Opfergaben benutzt wurde. Es würde dann so aussehen, als hätte ich mich mitsamt dem Baby hinabgestürzt.
    »Nimm den langen Weg, den ich auf der Karte eingezeichnet habe«, sagte er.
    Ich nickte und küsste ihn auf die Wange, bevor ich ihn verließ. Er wurde rot und verbarg seine Verlegenheit dadurch, dass er mich mitsamt Baby und allem Gepäck in den Sattel hob. Dann verließ ich diesen Ort, ohne mich noch einmal umzuschauen, und ritt in die Nacht hinaus. Auf dem Weg nach Hause.

Ash
    Im Golden Valley ritt Flax voraus.
    »Wir sind schon ein paar Mal hier gewesen, damals, aus Foreverfroze kommend, wenn wir unsere Großmutter besucht haben. Es ist immer besser, die Nebenwege zu nehmen, nicht wahr? Wir singen oder jonglieren hier nicht. Der Ort ist zu klein, sagt Zel, und sie mögen Fremde nicht besonders. Also. Nach Osten oder nach Westen?«
    »Osten«, sagte Ash.
    Sie bogen von der Hauptstraße ab und ritten nun über kleinere Pfade und Nebenwege und umgingen so die Städte und großen Pferdegehöfte, die in der Talsohle lagen. Am

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