Die Hueterin der Krone
die Garnison den Angriffen stand. Es waren keine größeren Breschen geschlagen worden, und Chester und de Roumare hatten die Zeit genutzt, um Männer zusammenzuziehen und Vorräte anzulegen. Sie hatten nicht die Absicht, sich zu ergeben.
Dieses Fest der Reinigung der Heiligen Jungfrau hatte für Will diesmal eine tiefere Bedeutung, denn vor kurzem hatte Adeliza ihr zweites Kind geboren, eine Tochter diesmal, die Adelis getauft worden war. Als er sich der Prozession anschloss und eine brennende Kerze durch das Kirchenschiff zum Altar trug, widmete er seine Gebete seiner Frau, dem neuen Baby und seinem kleinen Sohn.
Vor ihm trat Stephen auf den wehenden Saum seines Umhangs. Wachs ergoss sich über die Hand des Königs, und er ließ die Kerze auf die Steinfliesen des Mittelschiffs fallen, wo sie zerbrach und in einer fahlen Rauchwolke erlosch. Männer wechselten unbehagliche Blicke. Ein junger Ritter beeilte sich, dem König seine Kerze zu reichen, und ein Kaplan entfernte hastig die Kerzenreste. Doch der Schaden war angerichtet, und obwohl Stephen den Zwischenfall mit einem Achselzucken abtat, herrschte eine angespannte Atmosphäre.
Das Gefühl drohenden Unheils verstärkte sich wenige Momente später, als das zierliche Silberkästchen, das die Abendmahloblaten enthielt, sich von seiner Kette löste, die Seite des Altars streifte, auf den Stufen landete und die Oblaten sich auf den Fliesen verteilten, wobei viele zerbrachen. Zahlreiche Gemeindemitglieder bekreuzigten sich, ein besorgtes Raunen ging durch das Kirchenschiff. Wills Nackenhaare richteten sich auf, denn dies war Gottes Haus und die Oblaten der Leib Christi. Er neigte nicht zu Aberglauben, aber er war beunruhigt. Stephen dagegen tat, als wäre nichts geschehen. Er blieb ruhig und sank vor dem Altar zu Boden, während Priester den Hostienbehälter und die Oblaten aufsammelten und neue brachten.
Der Rest des Gottesdienstes verlief ohne weitere Zwischenfälle, und die Spannung ließ etwas nach. Als sie aus der Kathedrale in die eisige Februarkälte hinaustraten, bemerkte William D’Ypres respektlos, Stephen solle darüber nachdenken, seine Umhänge zu kürzen, aber niemand lachte.
Will kehrte zu den Belagerungsmaschinen zurück und erstickte die Mutmaßungen, die unter seinen Leuten kursierten.
»Eine Kerze und ein Glied in einer Kette sind zerbrochen«, knurrte er. »Solche Dinge geschehen überall und jeden Tag, und wenn wir in allem böse Omen sähen, würden wir an unserer Furcht ersticken.«
Ein Knappe brachte ihm Brot und Käse, und er aß, während er die Männer beobachtete, die mit vor Kälte geröteten Nasen und Fingerspitzen die Steinschleuder aufstellten. Er stellte sich ein prasselndes Feuer und Adeliza vor, die ihm mit ihrer sanften Stimme aus einem Buch vorlas oder ihrem Sohn und dem Baby ein Schlaflied vorsang, und wünschte, er wäre daheim in Arundel.
Auf der Brustwehr der Stadt erscholl ein Horn, dann noch eines, und auf einmal erklangen überall entlang der Mauer Fanfaren. Will schluckte den letzten Bissen Brot hinunter und schickte den Knappen los, um herauszufinden, was passiert war. Er schnallte gerade seinen Schwertgurt um, den er vor dem Gottesdienst abgelegt hatte, als der Junge in heller Aufregung zurückkam.
»Sire, die Earls of Gloucester und Chester rücken auf die Stadt zu! Sie sind auf der anderen Seite des Witham gesichtet worden, wo sie nach einer Furt suchen.« Der Adamsapfel des jungen Mannes hüpfte. »Sie haben die gesamte angevinische Armee mitgebracht – Kavallerie, walisische Söldner und andere Truppen!«
Will starrte ihn an. Es war tollkühn, in einer einzigen Schlacht alles zu riskieren, aber vielleicht ging es für Robert of Gloucester um alles oder nichts.
»Das ist ein Zeichen Gottes«, stammelte einer der Männer an den Belagerungsgeräten. »Erst die Kerze und der Hostienbehälter, und jetzt das!«
»Dass Gloucester kommen würde, stand fest, die Frage war nur, wie bald«, herrschte Will ihn an. »Und jetzt geh an deine Arbeit zurück, bis ich dir andere Befehle erteile!«
Der Mann schlug die Augen nieder und trat wieder zu der Steinschleuder.
Nachdem er seinen Leuten einige Anweisungen gegeben hatte, suchte Will den König in Bischof Alexanders Unterkunft auf. Als er dort eintraf, war bereits eine hitzige Diskussion im Gange. Stephen wollte losreiten, um sich der näher rückenden angevinischen Armee zu stellen und sie in eine Schlacht zu verwickeln, doch seine Barone sprachen sich dagegen
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