Die Hueterin der Krone
manipuliert hat, nur um seine eigenen Ziele zu erreichen?« Er funkelte sie an. »Er war so bedeutsam, weil er keine Rücksicht kannte. Stephen hätte trotz all seiner Schwächen so etwas nie getan, und das ist einer der Gründe, weshalb ich mich ihm angeschlossen habe. Henrys Politik fordert immer noch einen Tribut von uns.« Er winkte schroff ab. »Genug. Ich werde dich nach Arundel bringen, und dann gehe ich zum König und schaffe die Sache aus der Welt.«
Adeliza kämpfte mit den Tränen. Stephen war nicht imstande, Ordnung zu schaffen, da konnte Will sagen, was er wollte, aber sie schwieg. Es war schon zu viel Schaden angerichtet worden. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. »Ich bitte darum, mich zurückziehen zu dürfen«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Ich muss mich ausruhen.« Sie winkte ihre Zofen zu sich, ließ ihn stehen und verschwand hinter dem Wandschirm, hinter dem ihr Reisebett und ihre Truhe standen.
Will rieb sich leise stöhnend das Gesicht. Diese Nachrichten bedeuteten einen schweren Schlag für sein Ansehen und Stephens Autorität. Chester und de Roumare waren Halbbrüder und genauso ehrgeizig wie die Beaumont-Zwillinge. Bei Hof stifteten sie Unruhe, und es empfahl sich, sie sich nicht zu Feinden zu machen. Bislang war es ihm gelungen, sich aus den Machtspielen der Beaumonts herauszuhalten und Matilda in Arundel aufzunehmen, ohne Stephen gegen sich aufzubringen. Aber jetzt lief er Gefahr, in den Strudel der Chester-Fraktion hineingezogen zu werden. Wenn er unterging, ging seine Familie mit ihm unter, und seine Frau, so sehr er sie auch liebte, verstand das nicht.
Sein Lieblingshund Teri tappte zu ihm und leckte ihm die Hand. Er kraulte ihm die seidigen Ohren. Hunde waren treu und verlangten nichts außer Futter, Beschäftigung und Zuwendung. Manchmal wünschte er sich, er wäre als gewöhnlicher Gassenjunge geboren worden. Doch er hatte eine Königin geheiratet und war auf der Karriereleiter so hoch aufgestiegen, dass ihm schwindelig wurde, wenn er in die Tiefe blickte.
Von dem grünen Holz im Kamin der großen Halle von Lincoln Castle stiegen beißende Rauchwolken auf, die Wills Husten noch verstärkten, als er sich über die zaghafte Wärme beugte. Die feuchte Kälte des Dezemberwetters schien in jede Mauerritze und jede Faser seines schmerzenden Körpers gekrochen zu sein. Er verschränkte die Arme unter seinem Umhang und begann so stark zu zittern, als löse sich das Fleisch von den Knochen. König Stephen schritt wie ein gefangener Löwe auf und ab. Die Halbbrüder Ranulf, Earl of Chester, und William de Roumare beobachteten ihn mit stahlharten Augen. De Roumare spielte mit seinem Dolch.
»Die Familie unserer Mutter hat ein Anrecht auf Lincoln Castle.« De Roumare schob sein mit Aknenarben übersätes Kinn kampfeslustig vor. »Die Burg gehört uns. Wir haben uns nur genommen, was uns zusteht.«
Stephen wirbelte herum. Der Saum seines Umhangs bauschte sich. »Lincoln Castle ist königlicher Besitz, auch wenn dem Burgvogt in der Vergangenheit das Erbrecht zuerkannt worden ist«, gab er wütend zurück. »Es steht Euch also keineswegs selbstverständlich zu.« Er durchbohrte de Roumare mit einem harten Blick, der seinen Dolch in die Scheide zurückschob, aber fortfuhr, bedeutungsvoll mit dem Griff zu spielen.
Ranulf of Chester zupfte an seinem langen kastanienbraunen Schnurrbart. »Dann gebt uns, was uns zukommt, Sire. Wir haben Euch bislang immer unterstützt, aber Ihr übergeht uns. Wollt Ihr uns wirklich unser väterliches Erbteil verwehren?«
»Ihr habt auch ohne Lincoln von mir schon reichlich Land und Privilegien erhalten«, erwiderte Stephen barsch.
De Roumare fuhr herum und deutete auf Will. »Warum habt Ihr ihn zum Earl of Lincoln gemacht und nicht einen von uns?«, fragte er böse. »Er ist nichts als ein Emporkömmling, der sich dank seiner Heirat mit der Königinwitwe für etwas Besseres hält!«
Will sprang auf. »Ihr beleidigt mich!« Er verspürte einen starken Hustenreiz, und seine Brust brannte.
»Genauso ist es eine Beleidigung für meinen Bruder und für mich, dass Ihr der Earl of Lincoln seid und den dritten Penny einer Grafschaft einfordert, die von Rechts wegen uns gehört«, giftete de Roumare. »Ihr verhaltet Euch wie ein großer, freundlicher Hund ohne Hirn zwischen den Ohren, während Ihr die ganze Zeit unter dem Stuhl Eures Herrn liegt und Euch die Knochen schnappt, die besseren Männern zustehen. Ihr seid und bleibt ein Nichts, auch wenn Ihr noch so
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