Die Hueterin der Krone
Kommandanten sich auf den Weg nach Lincoln gemacht hatten, balancierte sie am Rand eines Abgrunds.
»Er sagt, der Earl habe einen großen Sieg errungen und Stephen gefangen genommen. Er wird zu Euch gebracht.«
»Ein großer Sieg?« Ihre Stimme gehorchte ihr kaum.
»Ja, Herrin.« Ein schwaches Lächeln huschte über Williams Gesicht. »Die Earls des Königs haben ihn im Stich gelassen. Sogar William D’Ypres ist vom Schlachtfeld geflohen, aber Stephen nicht, und so wurde er überwältigt und in Fesseln gelegt.«
Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, aber sie vermochte ihre Bedeutung nur oberflächlich zu erfassen. Robert hatte gewonnen, Stephen verloren. Einen Moment lang schwebte sie im leeren Raum. Sie hatte so lange gekämpft, und nun war plötzlich ohne ihre Gegenwart und Beteiligung der Sieg errungen und ihr die Krone gesichert worden.
»Herrin?« Giffard berührte besorgt ihren Arm.
Sie nahm sich zusammen. »Bringt den Boten in meine Kammer«, sagte sie. »Und versammelt die Mitglieder des Haushalts in der Halle, damit ich zu ihnen sprechen kann.«
Als der Kaplan gegangen war, um seinen Auftrag auszuführen, entzündete Matilda eine weitere Kerze, stellte sie zu denen, die bereits brannten, und kniete nieder, um um Kraft für die kommenden Monate zu beten.
Wie eine Königin gekleidet, das Gewand mit kostbaren Steinen besetzt, die Kaiserkrone auf dem Kopf und den Saphirring ihres Vaters am Finger, blickte Matilda auf Stephen hinab, der in die große Halle von Gloucester Castle gebracht worden war, um vor ihr niederzuknien. Er hielt den Kopf gesenkt; sie konnte sehen, wo sein Haar am Scheitel schütter wurde und die sommersprossige rosafarbene Kopfhaut freigab. Sein Gesicht war mit violett, rot und gelb schillernden Prellungen übersät. Er trug eine schlichte Tunika aus brauner Wolle und als einzigen Schmuck ein Goldkreuz auf der Brust und die Granatbrosche, die seinen Umhang zusammenhielt. Er war nur ein geschlagener, gewöhnlicher Mann, und er befand sich in ihrer Hand. Sie saß auf dem Thron, und er kniete zu ihren Füßen. Auf diesen Moment hatte sie lange gewartet, doch irgendwie entsprach die Realität nicht ihren Erwartungen. Dieser entmachtete, gedemütigte Mann erweckte in ihr kaum mehr als Verdruss und Verachtung, und sie hatte doch so viel mehr empfinden wollen.
»Gott hat gesprochen«, sagte sie gebieterisch. »Du hast etwas an dich gerissen, was dir nicht zustand, und als dir ein Friedensvertrag angeboten wurde, bist du nicht auf die Bedingungen eingegangen, die uns allen Frieden gebracht hätten. Nun bist du dem Willen Gottes zufolge als besiegter Mann hierhergebracht worden, um vor mir niederzuknien.«
Stephen hob langsam den Kopf. »Gott straft mich sicherlich für meine Sünden«, erwiderte er mit heiserer Stimme, »aber die Krone Englands anzunehmen gehört nicht dazu. Gott hat mir seine Unzufriedenheit mit meinen Taten als König kundgetan, indem er zuließ, dass ich in die Hände meiner Feinde fiel, aber ich vertraue darauf, dass Er sich mir gegenüber gnädig zeigt und mein Leben aus einem bestimmten Grund verschont hat.«
»Vielleicht damit du für den Rest deines Lebens Buße tun kannst«, gab Matilda kalt zurück. »Du wirst nach Bristol ge schafft und dort bis zum Ende deiner Tage bleiben, egal wie lang oder kurz diese Lebensspanne auch sein mag.« Ihr entging nicht, dass Stephen vor Erschütterung zitterte und sein Gesicht unter den regenbogenfarbenen Blutergüssen grau geworden war. »Aber es wird dir an nichts fehlen, und du erhältst alles zur Verrichtung deiner Gebete.«
Stephens Lippen kräuselten sich. »Lass dich von meinem momentanen Zustand nicht täuschen, teure Base. Ich werde mich schneller erholen, als du ahnst. Ich bin Gott Rechenschaft schuldig, nicht dir, und ich bin der gesalbte, von den Baronen dieses Landes gewählte König. Egal was du mir antust, an diesem Status kannst du nichts ändern.«
Matilda betrachtete den Ring ihres Vaters an ihrer Hand und spürte das Gewicht des Diadems auf ihrer Stirn. Beides hatte weitaus mehr Bedeutung als Stephen und seine leeren Worte. Er war unwichtig. Sie war jetzt Königin und würde sich der Kraft der Gesetze bedienen. »Du wirst morgen nach Bristol aufbrechen«, fuhr sie fort, als hätte er nichts gesagt, »und dort wirst du bleiben – für den Rest deines Lebens.« Sie sah ihn an und dann geradewegs durch ihn hindurch, erhob sich von ihrem Thron und rauschte majestätisch hinaus, ohne abzuwarten, dass er
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