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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Taschenflasche hin. Der Wein war bei ihrem Aufbruch heiß gewesen, und ein Rest der Wärme hatte sich gehalten und wurde durch Pfeffer und andere Gewürze verstärkt. Matilda spürte, wie die Flüssigkeit in ihrer Kehle brannte. De Bohun nahm ein Stück Brot aus seinem Ranzen. Es war so hart, dass er es mit dem Griff seines Schwertes in kleine Stücke schlagen musste. Matilda schob sich einen Brocken in den Mund und saugte daran, bis er sich auflöste. Sie mussten noch sechs Meilen bis Abingdon marschieren, und von dort aus waren es noch fünfzehn bis Wallingford. Als sie aufbrachen und sich erneut mühsam einen Weg durch den Schnee bahnten, wusste Matilda, dass sie den Ausdruck »Wenn die Hölle zufriert« immer mit dieser Nacht verbinden würde.
    Will saß in Abt Ingulphs Privatgemach in Abingdon vor dem Kamin und genoss die Hitze der Flammen. Den vom Feuer abgewandten Teil seines Körpers hatte er in einen dicken pelzgefütterten Umhang gehüllt, der ihn vor der Kälte schützte. Teri lag neben ihm, die Nase auf den Vorderpfoten, und schielte ab und zu zu seinem Herrn hoch. Will hatte dem Abt Weihrauch und zwei silberne Fässchen zum Geschenk gemacht, in denen das kostbare Harz verbrannt wurde. Außerdem hatte er einen Einband für eine Ausgabe des Neuen Testaments mitgebracht, die er Adeliza schenken wollte. Die Mönche hatten das Buch während der letzten Monate kopiert, und nun sollte es mit geschnitzten und mit Bergkristallen, Granaten und Chrysoprasen besetzten Elfenbeinplatten gebunden werden.
    Die kurzeReise war für ihn eine willkommene Abwechslung von seinem Dienst in Stephens Armee, die immer noch Oxford belagerte. Den Verteidigern mussten in Kürze die Vorräte ausgehen, und die Kapitulation stand unmittelbar bevor. Unter diesen widrigen Umständen konnten die Burgbewohner nicht mehr lange überleben. Stephen rechnete damit, Oxford noch vor Weihnachten einzunehmen. Will hatte sich bemüht, nicht an Matilda zu denken, die dort mit ihrer Garnison in der Falle saß, weil ihre Verwandtschaft mit Adeliza – und indirekt auch mit ihm – sein Gewissen belastete. Wenn Matilda gefangen genommen wurde, ließ Stephen sie für den Rest ihres Lebens einkerken.
    »Krieg ist eine furchtbare Sache«, bemerkte Abt Ingulph leise. »Es werden so viele Menschen als Bittsteller an unse ren Toren vorstellig, die ohne eigenes Verschulden all ihr Hab und Gut und ihr Heim verloren haben. Die ganzen verbrannten Felder und das abgeschlachtete Vieh führen zu Hunger und Not im Land – aber darunter leiden nicht die, die diesen Krieg führen.«
    Der sanfte Tadel des Abtes trieb Will das Blut in die Wangen. »Auf meinen Ländereien unternehme ich alles, was in meiner Macht steht, um den Betroffenen zu helfen, und unsere kirchlichen Stiftungen liegen meiner Frau besonders am Herzen.«
    Ingulph faltete die Hände unter dem Kinn. »Dieser andauernde Krieg zwischen denen, die eigentlich gut und gerecht über sie herrschen sollten, trifft die einfachen Leute hart. Es ist Eure Pflicht und Verantwortung, einen dauerhaften Frieden auszuhandeln, statt zu kämpfen und Euch und Unschuldige ins Grab zu bringen.«
    »Das ist richtig.« Will nickte zustimmend.
    Ingulph hob die Hände. »Dann handelt auch dementsprechend.«
    Als Will seinen Wein ausgetrunken hatte, bedeutete er Teri mit einem Fingerschnippen, ihm zu folgen, verabschiedete sich von dem Abt und machte sich auf den Weg zum Gästehaus. Er mochte Ingulph, auch wenn der alte Mann dazu neigte, ihm Strafpredigten zu halten wie ein bekümmerter Vater seinem missratenen Sohn. Aber der Abt hatte Recht. Es musste ein dauerhafter Frieden geschlossen werden, doch er bezweifelte, dass beide Seiten dazu bereit waren.
    Er schlang seinen Umhang enger um sich, als ihn eine Windbö traf. Plötzlich erstarrte Teri, seine Nackenhaare stellten sich auf, und er knurrte leise. Will blieb abrupt stehen und starrte die durchnässte Gruppe von Leuten an, die auf das Gästehaus zustolperten. Alle trugen seltsame weiße Gewänder, die wie Flügel im Wind flatterten, und einen Moment lang krampfte sich sein Magen vor Furcht zusammen. Sie sahen aus wie Engel oder die Seelen von Toten in ihren Leichentüchern. Zwei von ihnen rückten bei seinem Anblick enger zusammen, um eine schmalere Gestalt in ihrer Mitte zu schützen, und legten die Hände an die Griffe ihrer Schwerter. Wills Nacken begann zu prickeln. Er trug sein Schwert nicht bei sich, weil er sich auf dem Grund und Boden der Kirche befand und in

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