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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Matilda wohl von seinem ungezwungenen Benehmen hielt, das ihren strengen Begriffen von Anstand und Schicklichkeit so gar nicht entsprach. Henry saß breitbeinig auf einem Stuhl, hielt einen Becher zwischen den Knien und sprach mit dem König ebenso unbefangen wie mit dem Schankkellner. Henry hatte zu allem und jedem eine Meinung, hörte jedoch anderen aufmerksam zu und war lernbegierig und ehrerbietig, ohne sein Gesicht zu verlieren. Er trug stets ein strahlendes Lachen zur Schau, und seine Energie schien nie zu versiegen. Er kam mit erstaunlich wenig Schlaf aus, konnte einen ganzen Tag lang auf die Jagd gehen und war trotz der anstrengenden Stunden im Sattel am Abend noch frisch und munter. Neben ihm glich Stephens eigene, ins Auge fallende Vitalität einem im Vergleich mit einem tosenden Wasserfall zwergenhaft wirkenden dünnen Rinnsal.
    Am dritten Abend seines Besuchs nahm Henry mit Will in einer Fensternische Platz, um eine Partie Schach zu spielen.
    »Wie geht es meiner Großmutter, der Königin?«, erkundigte er sich mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen.
    »Gut.« Will sah keinen Anlass, über Adelizas angegriffene Gesundheit zu sprechen.
    »Und all meinen kleinen Onkeln und Tanten?«
    Will grunzte belustigt. »Sie wachsen und gedeihen«, entgegnete er. »Dein jüngster Onkel wurde erst vor ein paar Wochen am Festtag der heiligen Agatha geboren.«
    Henry lächelte, dann fragte er: »Und Eure Burgen? Ich hörte, Ihr befasst Euch im Moment mit mindestens zwei Bauprojekten.« Er grinste breit. »Mir sind sogar Wunderdinge über die Latrinen zu Ohren gekommen.«
    Will seufzte resigniert. »Wer hat nicht davon gehört und sich darüber lustig gemacht?«, gab er zurück. Aber unter dem Einfluss des guten Weines und angesichts des aufrichtigen Interesses des Jungen an der Baumeisterkunst erzählte er Henry nicht nur von Rising, sondern auch von der Festung, die er in Buckenham an einem geeigneteren Platz als die alte errichten ließ. Das ehemalige Burggelände hatte er dem Benediktinerorden für den Bau eines Priorats gestiftet. Die neue Burg war ein auf einem hohen Hügel gelegener Rundturm mit elf Fuß dicken Mauern. Ferner ließ er in Rising ein Dorf bauen und ermutigte die Leute, sich dort niederzulassen. Am Dorfrand hatte sich bereits eine Gerberei angesiedelt.
    Henry lauschte; sog alle Informationen in sich auf wie ein Schwamm.
    »Habt Ihr denn keine Angst, dass all das wieder zerstört werden könnte?«
    »O doch«, erwiderte Will. »Aber ich vertraue auf Gottes Schutz, weil ich etwas Bleibendes schaffen möchte. Und wodurch sollte ich denn einen Angriff herausfordern? Rising ist ein zu Ehren meiner Frau errichteter Palast, keine Festung, und der neue Bergfried in Buckenham stellt keine Gefahr da, denn er dient nur zur Verteidigung. Alle meine Burgen dienen allein dem Schutz meines Landes, nicht als Basislager für Raubzüge und Überfälle. Ich selbst habe noch nie kämpferische Auseinandersetzungen angezettelt. Ich diene dem König, weil ich ihm die Vasallentreue geschworen habe, und diesen Eid werde ich nie brechen.«
    »Aber wie sieht die Zukunft aus, Mylord?«, gab Henry zu bedenken. »Wem werden denn Eure Söhne den Treueeid leisten?«
    »Darüber sollten wir nicht gerade hier diskutieren«, beschied Will ihn knapp. »Solche Entscheidungen trifft man nicht bei einer Partie Schach.«
    »Oh, aber vor uns liegt ein Schachbrett«, widersprach Henry mit seinem entwaffnenden Lächeln. »Und wir sind beide Spieler.«
    Will warf ihm einen düsteren Blick zu. »Ich an deiner Stelle würde gut aufpassen, zu wem ich so etwas sage.«
    »Ich habe in der Tat vor, sehr gut aufzupassen«, gab Henry mit einem Glitzern in den Augen zurück, das Will Unbehagen einflößte. Der Junge führte etwas im Schilde, wenn er nur wüsste, was.
    Am nächsten Tag verließ Henry den Hof. Seine Pferde waren mit Geschenken und Vorräten beladen. Stephen hatte ihm Silber für seine Ausgaben gegeben und die Söldner entlohnt, die er angeheuert hatte. Viele der Barone des Königs hatten angesichts solcher Nachsicht und Großzügigkeit missbilligend die Stirn gerunzelt. Einige murrten sogar, es sei genauso wie damals, als die Kaiserin in Arundel untergekommen war. Aber Stephen winkte ab und erklärte, er könne den Jungen nicht gefangen setzen, ohne einen Angriff seitens Anjous und der Normandie zu riskieren, und es sei zu gefährlich, ihn hierzubehalten. Die Leute könnten denken, er, Stephen, erwäge, ihn als seinen Erben

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