Die Hueterin der Krone
sich zu ihm, um ihm den formellen Friedenskuss zu geben. Dann zog sie ihn auf die Füße und umarmte ihn liebevoll. Sie wusste, dass sie eigentlich böse auf ihn sein sollte, aber sie empfand keinen Zorn. Sie nahm ihn am Arm und führte ihn zum Fenster, um ihn eingehender zu betrachten. »Du bist ja fast schon ein Mann.«
Henrys Brust schwoll an. »Ich bin ein Mann«, widersprach er mit einer Spur von Unmut. »Und ich bin hier, um um mein Königreich zu kämpfen.«
»Das hat man mir bereits berichtet.«
Er musterte sie durch seine dichten sandfarbenen Wimpern. »Ich hätte Purton und Cricklade eingenommen, wenn ich besser ausgerüstet gewesen wäre. Mit mehr Männern und mehr Geld hätte alles ganz anders ausgesehen.«
»Männer und Geld.« Sie lachte bitter auf. »Beides könnten dein Onkel Robert und ich auch gut gebrauchen, aber wir ringen um jeden Penny. Was sagt denn dein Vater zu deiner Expedition?«
Henrys Miene verfinsterte sich. »Er hat sich geweigert, mich zu unterstützen, und mir verboten, nach England zu gehen, also habe ich alles alleine in die Wege geleitet und selbst das nötige Geld aufgebracht.«
»Du hast ihm also nicht gehorcht. Hast du denn keine Pflichten in der Normandie und Anjou?«
»Ich werde in England dringender gebraucht«, versetzte er knapp. »Vater wird das verstehen, wenn ich es ihm erkläre.«
Matilda hob die Brauen. Sie bezweifelte, dass Geoffrey sich sehr verständnisvoll zeigte. »Und du meinst, England ist mit solchen Aktionen wie in Cricklade und Purton geholfen?«
Er ballte die Fäuste. »Mit einer größeren Armee hätte ich die Burgen leicht einnehmen können.«
Das Gespräch drehte sich im Kreis. Matilda freute sich, Henry zu sehen, aber er konnte nicht bleiben. Und wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass er übereilt gehandelt und sich unnötig in Gefahr gebracht hatte. »Wenn du nur über das Geld verfügst, das du selbst zusammengekratzt hast, wie willst du denn dann deine Männer bezahlen?«
»Ich habe sie zu dir gebracht, damit du sie unter meinem Kommando einsetzen kannst.« Er straffte trotzig die Schultern. »Und dazu hätte ich das Geleit des Marschalls wirklich nicht gebraucht.«
»Er scheint zu glauben, dass du ihm Pferde und Ausrüstungsgegenstände schuldest.«
Henrys Augen flammten ärgerlich auf. »Ich will helfen. Versteht das denn keiner?«
Matilda richtete sich auf. »Indem du eine zusammengewürfelte Söldnertruppe herbringst und zwei erfolglose Versuche unternimmst, kleine Burgen einzunehmen? Stephen wird sich vor Lachen den Bauch halten, wenn er davon erfährt. Ich kann es mir nicht leisten, deine Männer zu entlohnen und dich hierzubehalten, denn dann bräuchtest du eine Leibgarde zu deinem Schutz und die nötigen Mittel für deinen Lebensunterhalt, und die habe ich nicht. Du machst uns allen nur Schwierigkeiten. Es war abgemacht, dass du in der Normandie deine Ausbildung beendest und dort bleibst, bis die Zeit reif ist.«
»Dann hätte ich vermutlich kein Königreich mehr, auf das ich Anspruch erheben könnte«, gab er aufgebracht zurück. »Ich musste etwas tun. Jetzt. Wenn ich volljährig bin, ist es zu spät. Ich bin alt genug!«
Matilda unterdrückte ihren wachsenden Zorn und ließ sich seufzend auf einen Stuhl am Fenster sinken. »Ich bin froh, dich zu sehen.« Sie rieb sich die Stirn. »Aber ich bin mit deiner Eigenmächtigkeit keineswegs einverstanden. Und du musst einsehen, dass du nicht in England bleiben kannst. Ich habe kein Geld, um deine Männer zu bezahlen, und du bist auch keineswegs jetzt schon alt genug, auch wenn du dir das einbildest.«
Er maß sie mit einem langen Blick. Die aufflammende Wut in seinen Augen versetzte ihr einen Stich, doch dahinter verbarg sich ein entschlossener Geist. Es mochte ihm zwar an Reife und Erfahrung fehlen, und er hatte in seinem Eifer und seiner Ungeduld Fehler gemacht, aber er hatte Recht. Er war kein Kind mehr. »Wenn ich in die Normandie zurückkehre, ist das auch teuer.«
Sie rieb sich über die Brauen. »Wie teuer?«
»Ich schulde den Männern für jeden Tag in meinen Diensten einen Shilling, dazu kommen die Kosten für ihre Verpflegung und ihre Auslagen. Und wir müssten Schiffe für die Überfahrt mieten.«
Matilda überschlug die Summe rasch im Kopf. Da kam mehr Geld zusammen, als sie aufbringen konnte, ohne ihre eigenen Leute zu benachteiligen, es würde ihre Reserven fast aufbrauchen. »Henry, ich kann es mir nicht leisten, dir so viel Geld zu
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