Die Hueterin der Krone
schwer auf ihr, dass sie ihm an diesem Ort ihre Verehrung entgegenbringen und ihm gleichzeitig geloben musste, ihren Mann zu ehren und ihm zu gehorchen. Im Angesicht des Schöpfers legte sie ein falsches Zeugnis ab. Wenn sie diese Zeremonie mit ihrer Hochzeit in Speyer verglich, fühlte sie sich besudelt.
Die ganze Zeit war sie nicht im Stande gewesen, Geoffrey anzuschauen, doch sie spürte, dass seine Augen ständig auf ihr ruhten. Wie sie heute Nacht seine Hände auf ihrem Körper ertragen sollte, wusste sie nicht. Hoffentlich wurde sie nicht schwanger, denn dann konnte die Ehe annulliert werden. Ihre Wäscherin Osa hatte ihr erklärt, wie eine Empfängnis zu vermeiden war.
Die Frauen hatten sie zu der großen Kammer geführt, in der die Ehe vollzogen werden sollte. Matilda betrachtete das riesige Bett mit den sauberen Leinenlaken und den bestickten Decken, die bemalten Truhen und kostbaren Brokatwandvorhänge. Ihre Zofen hatten zuvor schon die Elfenbeinkämme, die Salbentiegel und Schmuckschatullen bereitgestellt. Von einem kleinen Kupferbecken, in dem Weihrauch und Rinde brannten, stieg ein würzig duftender Rauch auf, der ihr jedoch Übelkeit verursachte. Die prunkvolle Umgebung betonte das Abstoßende noch, das ihr gleich widerfahren würde.
Adeliza nickte wohlgefällig, als sie sich umsah.
»Eine sehr schöne Kammer. Es wird schon alles gut gehen.«
»Das sagst du andauernd«, erwiderte Matilda spitz. »Versuchst du, auch dich selbst zu überzeugen?«
Adeliza zuckte zusammen, fasste sich aber rasch wieder.
»Du musst deinem Mann wenigstens eine Chance geben. Komm, trink den heißen Wein und lass mich dir beim Auskleiden helfen.«
Matilda ließ Adelizas Fürsorge mit zusammengebissenen Zähnen über sich ergehen. Am liebsten hätte sie sie weggestoßen, aber es wäre ungerecht, ihren Zorn und ihre Verzweiflung an ihrer Stiefmutter auszulassen, die ebenso machtlos war wie sie. Keine von ihnen hatte eine Wahl, nur fand sich Adeliza besser damit ab.
Sie starrte die Wand an, als die Frauen ihr das rotseidene Hochzeitsgewand, den goldenen Gürtel, die vergoldeten Schuhe und die Hose aus Goldstoff mit den mit Perlen bestickten Strumpfbändern aus Brokat abstreiften. Dann nahmen sie ihr die Krone aus goldenen Blättern und den Schleier ab und lösten die Bänder aus ihren Zöpfen. Sorgfältig hängten sie alles auf, während sie barfuß in einem schlichten Hemd dastand, das am Hals zugeschnürt wurde. Wie eine Jungfrau, dachte sie, als die Frauen ihr Haar kämmten, bis es wie ein dunkelbrauner Wasserfall bis zu ihren Hüften floss. Eine ihrer Macht beraubte Frau, keine Kaiserin mehr, sondern ein Opferlamm. »Ich muss die Latrine aufsuchen«, teilte sie den Frauen mit und ging zu der in der dicken Mauer eingelassenen kleinen dunklen Kammer. Dort hatte Osa unter den Stapeln von Moos und Lumpen, die der Säuberung dienten, eine kleine Phiole mit Essig versteckt. Matilda biss sich auf die Lippe, nahm ein Stück Moos und tränkte es mit Essig. Sie zog ihr Hemd hoch und schob den Pfropf gemäß Osas Anweisungen so tief wie möglich in den Unterleib. Er werde eine Empfängnis verhindern, hatte die Wäscherin gesagt. Natürlich bestand die Gefahr, dass der Ehemann ihn entdeckte, aber die Methode war zweifellos wirksamer, als Petersilienblätter unter sein Kissen zu legen oder ein Amulett aus Wieselhoden um den Hals zu tragen.
Matilda kehrte zu den Frauen zurück. Sie bemerkte, dass ihre Finger nach Essig rochen, tauchte die Hände in die Waschschüssel und rieb die Handgelenke mit einer nach Rosen duftenden Salbe ein.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Adeliza besorgt.
»Ja.« Matilda nickte steif. Hinter ihr machten sich die Frauen an dem Bett zu schaffen, nahmen die Vorhänge von den Haken und schlugen die Decken zurück. Matilda schlüpfte zwischen die Laken, zog ihr Hemd glatt und nahm den Becher Wein von Adeliza entgegen. Betrunken oder nüchtern – was war besser?, fragte sie sich dumpf.
Der Bräutigam erschien mit einer lärmenden Schar von Kameraden. Matilda verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Geoffrey trug ein schlichtes weißes Hemd, das Gegenstück zu ihrem, dazu eine Hose und einen pelzgesäumten Umhang. Hoffentlich legte er seine Kleider nicht ab! Matilda verspürte kein Verlangen nach seinem schmalen weißen Knabenkörper.
Geoffreys Kumpane grölten und schwankten bereits merklich. Zwei wirbelten in einem improvisierten Tanz durch das Zimmer. Matilda biss die Zähne zusammen, entschlossen,
Weitere Kostenlose Bücher