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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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berichtet, mehr als einmal. Manchmal durchlebe ich im Traum alles wieder von neuem. Ich rede, aber es ist, als ob ich zu Steinen sprechen würde. Ich handle, aber nichts verändert sich. Das ist das Schlimmste, Simon, diese Hilflosigkeit! Manchmal sind es aber auch meine eigenen Dämonen, die mich plagen. Und das sind nicht eben wenige.«
    Er stand auf, ohne sich zu bedecken, stellte sich vor das Fenster und schaute hinaus.
    »Dort unten liegt der Marktplatz«, sagte er. »Gepflastert, sauber gefegt, von schönen Fachwerkhäusern umgeben. Ob sie dort auch schon ihre Scheiterhaufen aufgeschichtet haben, vor einer grölenden Menschenmenge, hin- und hergerissen zwischen Grauen und Verzückung? Ich weiß es nicht. Ich will es gar nicht wissen! Ich sehe sie ohnehin überall, in allen Städten, durch die ich komme. Dann möchte ich nur noch vergessen. Und das kann ich am besten in der Lust. Wenn überhaupt.«
    »Man hat dich im Schlaf schreien hören, mehr als einmal – es gab also Männer vor mir? Viele? Sehr viele?«
    »Simon, bitte …« Adam kam zurück zum Bett, setzte sich neben ihn. »Hör auf damit! Du tust dir nur weh. Und das will ich nicht.«
    »Nein, ich bin nicht eifersüchtig, das ist es nicht. Ich muss es nur wissen. Bitte!«
    Adam lehnte sich an die Wand. Im trüben Morgenlicht war sein Gesicht kantig und verschlossen.
    »Ich hab mein Leben gelebt, so gut ich konnte«, sagte er. »Was würden dir Einzelheiten schon nützen? Natürlich gab es Männer. Ich hab schon früh gemerkt, dass sie es sind, zu denen es mich zieht. Deshalb bin ich weggegangen aus meiner Heimatstadt. Vielleicht bin ich deswegen sogar in den Orden eingetreten.«
    Ein kurzes Lachen.
    »Nicht, um in männlicher Gesellschaft zu sein, wie du jetzt vielleicht glaubst. Nein, weil ich hoffte, die Gelübde wären ein Schutz gegen die Versuchung. Armut war niemals ein Problem für mich. Irdische Schätze bedeuten mir nichts. Mit dem Gehorsam wurde die Sache schon komplizierter. Gehorsam, wenn es mir sinnvoll erscheint – immer. Gehorsam um des Gehorchens willen? Eine große, schwierige Demutsübung, an der ich mich bis heute abmühe. Für die Keuschheit habe ich meine eigenen Regeln gefunden.«
    Adam legte seine Hand auf Simons Brust, und jetzt ließ er es zu.
    »Jede Ehe besteht darin, dass man jemandem sein Wort gibt. Ich bin mit Gott vermählt, wenn du so willst, und wenn ich dieses Gelübde breche, betrüge ich Gott. Das Zölibat ist ein Charisma, so hat mein Lehrer Josef Grün es mir einmal erklärt, und er wusste, wovon er sprach, eine Gabe Gottes, damit wir den Schöpfer von ganzem Herzen lieben und ihm frei dienen können, ohne eine Verbindung im Weltlichen zu haben.«
    Der Druck seiner Hand wurde stärker.
    »Also hast du eigentlich immer nur Gott geliebt?«, sagte Simon. »Auch wenn du mit Männern zusammen warst?«
    »Nein, denn ich war ihm untreu, von Anfang an. Ich hab den Körper vom Geist getrennt«, sagte Adam, »das war meine Methode. Und meinen Körper von Zeit zu Zeit einem Mann geschenkt, den ich begehrte. Mein Herz aber gehörte der Frau, die ich als blutjunger Mann geliebt hatte. Ich hab damals gespürt, welches Unrecht ich ihr antun würde, wollte ich mich dauerhaft mit ihr verbinden, so, wie sie es sich wünschte, und trotzdem hat es mich fast umgebracht, mich von ihr zu trennen. Als ich sie verließ, wollte ich Gott mein Herz zurückgeben, so armselig und krank, wie es damals war, aber er hat es nicht angenommen. Ich musste es behalten – so lange, bis ich es dir schenken konnte.«
    »Noch immer armselig und krank?«
    »Die Risse sind da, aber gut verheilt.«
    »Heißt das, dass du mich liebst?«
    »Würdest du sonst meinen Ring tragen, Simon?«, sagte Adam mit großer Wärme. »Keinem anderen hätte ich ihn jemals gegeben! Und weil es so ist, sind wir beide in Gefahr. Du hast Recht mit deinem Unbehagen. In Bamberg sind wir nicht länger frei. Die tausend Augen dieser Stadt werden uns auf Schritt und Tritt beobachten. Unsere Liebe nennen sie Sodomie und verfolgen sie mit Feuer und Schwert. Wenn wir nicht vorsichtig sind, listig und stark, wird sie nicht überleben – und wir ebenso wenig.«
    »Niemand kann uns trennen. Keiner!«
    »Das hat sie damals auch gesagt.« Ein schmerzliches Lächeln. »Und ich wollte ihr so gerne glauben. Bis heute wünschte ich manchmal, sie hätte Recht behalten, und nicht meine Angst.«
    »Wie war diese Frau?« Simon drängte sich an Adam. »Und warum hast du sie geliebt?«
    »Wer weiß

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