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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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»Damit der Fürstbischof auch etwas zu sehen bekommt, wenn wir ihn besuchen.«
    Er dachte an Maria, Josef und das Jesuskind – und sie konnte sich noch immer nicht lösen von den Ereignissen der vergangenen Nacht.
    Selina hatte die Augen gesenkt; dabei entging ihr nichts, was am Tisch geschah. Sie spürte, wie angespannt Simon war, wie schnell seine Blicke zwischen dem Vater und Marie hin und her flogen. Und auch zwischen den beiden war es anders als in letzter Zeit. An Maries schlankem Hals entdeckte sie einen rötlichen Fleck, der ihr ganz besonders missfiel.
    Ob sie doch noch ein Kind haben würde?
    Wie schön wäre es gewesen, all das mit Lenz zu besprechen! Aber seit der unverhofften Begegnung in der Kirche hatte sie ihn nur noch ein einziges Mal von ferne gesehen. Eine ganze Weile stand er da alleine, bis plötzlich Kuni aus einem Hoftor gekommen war.
    Sie würde sich nicht aufdrängen. Nicht nach dem, was in der Mühle geschehen war. Aber die Wege der Bande verfolgte sie weiter, trotz allem. Wenigstens auf diese Weise konnte sie ihm nah sein.
    Sie legte den Löffel beiseite und stand auf.
    »Du willst los?«, sagte Simon.
    Selina nickte. Ohne ihre Tafel fühlte sie sich unsicher, aber jetzt war nicht der Augenblick, um ihm das zu sagen.
    »Wolltest du mir nicht beim Backen helfen?«, sagte Marie, als sie sich an der Türe noch einmal umdrehte.
    »Später«, sagte Selina. »Wenn ich wieder zurück bin.«

    Etwas hatte sich im Haus verändert, seit Hanna Hümlin bei ihm sauber machte. Es waren kleine, fast unscheinbare Zeichen, die sie setzte, aber ihm entgingen sie nicht.
    Blumen in einer Kupfervase. Die alten Tischdecken, die plötzlich gestärkt und gebügelt waren. Sein Lieblingsgericht, Linsen mit Speck, das in einem Topf auf dem Herd stand.
    Zu sehen bekam er sie kaum, denn sie begann ihr Tagwerk, wenn er in die Brauerei ging; und wenn er meist spätabends aus der Gaststube zurückkehrte, war sie gewöhnlich schon gegangen. Manchmal tat es ihm beinahe Leid, dass sie sich so selten begegneten. Er hatte sie nur wenige Male beim Arbeiten gesehen, aber es hatte ihn beeindruckt, wie sie die Dinge erledigte. Trotz des lahmen Beines bewegte sie sich zügig und geschickt. Sie hatte kleine, kräftige Hände, die gut zupacken konnten, und einen ausgesprochenen Ordnungssinn.
    »Man merkt, dass keine Frau hier wohnt«, hatte sie lachend gesagt, als er sie darauf ansprach. »Alles, was du hast, ist gut und teuer, aber tot. Vielleicht gelingt es mir ja, den Dingen wieder etwas Leben einzuhauchen.«
    Er hatte ihren Lohn erhöht, gleich nach der ersten Woche. Sie schien erfreut, aber nicht wirklich erstaunt.
    »Ich bin gerne hier«, sagte sie. »Und das Geld ist genug.« Ihr Blick war schärfer geworden. »Kaufen lasse ich mich ohnehin nicht. Das solltest du wissen. Von niemandem.«
    Bevor er etwas erwidern konnte, drehte sie sich um und ging zur Tür. Ihr Rücken war schmal und sehr gerade. Es gefiel ihm, wie sie beim Gehen die Hüften bewegte.
    Er hatte den Eindruck, dass sie sich in seiner Nähe auch wohl fühlte. Vielleicht blieb sie deshalb etwas länger im Zimmer, antwortete ausführlicher, als es eigentlich ihre Art war, lachte. Aber ihn zur Messe zu begleiten, dazu hatte er sie nicht bewegen können.
    »Ich hab meine eigene Religion«, sagte sie. »Und die hat viel zu tun mit Himmel und Wasser, mit Erde und Korn. Ich mag alles, was wächst, beobachte gern, wie es reift und wieder vergeht. Um mit Gott zu reden, brauch ich kein steinernes Haus. Und erst recht keine Eiferer, die alles verachten, was Brüste und einen Schoß hat. Offenbar wollen sie mit aller Macht vergessen, dass eine Frau sie geboren hat. Aber ändern können sie nichts daran – sosehr sie auch zetern und wüten.«
    Erstaunt sah Pankraz sie an. Niemals wäre ihm zuvor in den Sinn gekommen, dass eine einfache Frau wie Hanna Hümlin sich solche Gedanken machte.

    Die Worte des Predigers klangen noch immer in ihr. Allerdings hatten sie Agnes Pacher zu einem Entschluss gebracht, den er sicherlich nicht gutgeheißen hätte. Ja, es gab Druten und Zauberer – aber wenn sie schon mal existierten, warum sollte man sich ihrer dann nicht auch bedienen?
    Sie litt unter der Entfernung, die sie von Veit Sternen trennte. Und sie hasste die hochmütigen Blicke, mit denen seine Frau sie strafte. Was wusste sie schon, diese magere rote Hexe? Keine Ahnung hatte sie von dem, was Veit und sie verband!
    Ihr Herz war voller Sehnsucht, als sie die Häuser der

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