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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Nichts, »ich möchte mich nicht aufdrängen, aber ich wurde Zeuge Eures Gesprächs ... Mein Name ist Titus Meitinger.«
    Verblüfft starrten Delius und Ditmold auf den Mann. Es war der heruntergekommene Zecher, der zuvor in der dunklen Ecke neben dem Kamin gekauert hatte. Der Alte schien sich kaum auf den Beinen halten zu können, ob aus Trunkenheit oder einem anderen Grund, ließ sich schwer sagen. Doch eines stand fest: Vor ihnen stand Christiane Meitingers verschwundener Schwäher.

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    Zuerst fühlte sich Christiane im Sattel reichlich unwohl. Die trabende Stute schüttelte sie ordentlich durch, was weder ihrem Kopf noch ihrem Magen sonderlich gut bekam. Doch mit der Zeit, als ihr ein lauer Wind ins Gesicht wehte, lösten sich Schwindel und Übelkeit langsam auf, und ihr Geist begann sich vom Weingenuss zu erholen.
    Imhoffs Andeutungen traten ihr ins Bewusstseins: »Niemand kann sich dem Weltuntergang entziehen« , und – schlimmer noch: »Oder soll ich dich durch den Wald zu deinem Grab tragen?« Was, um Gottes willen, war in den Mann gefahren? Bedrohte er sie?
    Imhoff trieb seinen Schimmel in viel zu schnellem Tempo durch den Wald, so dass Christianes Pferd über die dicken Wurzeln der Nadelbäume stolperte und herabhängende Äste am Stoff ihres Kleides zerrten. Während sie versuchte, auf die Stute einzuwirken und den verantwortungslosen Galopp zu zügeln, traf sie die Wahrheit mit der Wucht eines Peitschenhiebs. Plötzlich war klar, dass nur eine Person der dreifache Mörder sein konnte.
    Bei dem Tempo konnte sich Christiane nicht auf ihre Überlegungen konzentrieren. Um sich im Sattel zu halten, bedurfte es all ihrer Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Kraft. Dennoch wanderten ihre Gedanken immer wieder zu Sebastian, der von Imhoff wegen einer Jugendsünde erpresst und später vergiftet worden war. Natürlich war es ein Leichtes für Imhoff gewesen, Sebastian das Gift zu verabreichen, wenn er bei den Rehms ein und aus ging. Außerdem verfügte er über eine gewisse Menge an Quecksilber, wie sie durch die Begegnung vor dem Holzhaus der Fuggerei wusste, und jedes Kind kannte zwar die Heilkraft der Arznei, aber auch die Gefahr einer Vergiftung. Gründe gab es sicher genug, denSchriftsteller Rehm zu töten. Wolfgang Delius hatte von Sebastians Briefen berichtet, vielleicht wollte Marthas Gemahl sich nicht mehr ausnutzen lassen und drohte damit, sich nicht nur an einen fremden Verleger zu wenden, sondern auch an den Rat.
    Darüber hinaus war Imhoff wahrscheinlich der Mann, mit dem Severin ein wichtiges Gespräch vor Zeugen führen wollte. In der Posthalterei Auerbach, fern von ihrer gewohnten Umgebung, beabsichtigte Meitinger, irgendeinem Spuk ein Ende zu setzen; Hans Walser und Pater Ehlert sollten ihn dabei unterstützen. Nur der arme zutrauliche Severin hatte nicht damit gerechnet, dass Imhoff die Hand gegen ihn erheben würde. Warum?, fragte sich Christiane im Stillen. Warum hatte sich Severin überhaupt auf das gefährliche Spiel eingelassen?
    Ein Tannenzweig schlug ihr ins Gesicht. Christiane spürte, wie die Nadeln ihre Haut aufritzten. Sehr viel länger würde sie den halsbrecherischen Ritt durch den Wald nicht mehr ertragen können. Was hatte Imhoff vor? Wollte er sie umbringen?
    Ja, rief ihr die innere Stimme zu, deren Warnungen sie stets überhört hatte. Genau das will er auch mit dir tun. Ein Reitunfall war fast ebenso leicht zu vertuschen wie ein Giftmord. Bei Severin und Anton hatte er sich zu weit vorgewagt, in diesen beiden Fällen konnte der Reichserbmarschall nicht von einem Unglück ausgehen. Die Spur führte jedoch nicht zu Imhoff, sonst hätte Bernhard Ditmold diese längst aufgenommen. Falls sie, Christiane, diesen Ausflug nicht überlebte, würde Imhoff als trauernder Freund in Augsburg auftauchen und sich großherzig anbieten, den Nachlass des Druckerverlegers Meitinger zu sortieren, bevor die Schuldeneintreiber Haus und Werkstatt übernahmen. Dann würden ihm die Fälschungen in die Hände fallen, die er vermutlich ohnehinbereits im Keller vermutete, nachdem er in Sebastians Hinterlassenschaft nicht fündig geworden war. War er ihr deshalb damals in das Gewölbe gefolgt, als sie für Severins Gäste hatte Wein holen wollen?
    Ein stechender Schmerz in der Seite erinnerte Christiane daran, wie sehr sie unter dem Tempo litt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, ihr Atem ging keuchend. Schwindel und Übelkeit ergriffen wieder Besitz von ihr. Sie würde nicht mehr lange durchhalten.
    Über

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