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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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nicht einfach um einen Raubüberfall handelte.«
    Offenbar erwarteten die Herren, dass die trauernde Witwe vor Schreck in Ohnmacht fiel, denn Wolfgang Delius sprang von seinem Stuhl auf, und Ditmold wirkte, als befände er sich in Habachtstellung. Beide wollten Christiane wohl auffangen, wenn sie denn von dem Hocker sank, auf den sie sich gesetzt hatte.
    Tatsächlich war sie lediglich überrascht, dass sie nicht selbst auf diese Möglichkeit gekommen war: Den Fälschungen war ein Mord gefolgt – ja, das passte. Severin war nicht einfach einem tödlichen Raubüberfall zum Opfer gefallen, sondern einem böswilligen Menschen in die Arme gelaufen, der ihn bis zum Tod für seine Zwecke missbraucht hatte. Wieso aber waren der Reichserbmarschall und die beiden Fremden zu diesem Resultat gelangt? Hatte von Hallensleben seinen Fund entgegen seinem Versprechen gemeldet?
    »Wie kommt Ihr zu Eurer Annahme?«, erkundigte sie sich und bemühte sich dabei um einen höflichen, wenn auch distanzierten und kühlen Tonfall.
    »Ihr seid nicht überrascht«, stellte Delius fest und nahm mit hängenden Schultern Platz, als sei er beleidigt, dass er ihr nicht zu Hilfe hatte eilen können.
    Der Assessor schien sich an Christianes Gelassenheit nicht so zu stören. »Der Beutel Eures Gemahls ist uns als Beweis gut genug«, erklärte er und zog ein Ledertäschchen hervor, in dem die Münzen klapperten. »Dies befand sich in seinem Besitz, als er gefunden wurde. Erkennt Ihr es?«
    »Ja ... nein ... es ist eine Börse wie jede andere ... sie sieht aus, als wäre es die vom Meitinger, aber genau kann ich Euch das nicht bestätigen.«
    Delius grummelte: »Das könnt Ihr gewiss, wenn Ihr erfahrt, dass sich einhundert Gulden in der Börse befinden, die der Erbin gehören, also Euch.«
    Christianes Augen weiteten sich. »So viel Geld?«
    »Ja, es ist viel Geld«, bestätigte Ditmold emotionslos. »Der Überfall hätte sich für einen Räuber gelohnt. Andererseits ist es ziemlich ungewöhnlich für einen Reisenden, mit solch prall gefüllter Börse ohne Begleitung unterwegs zu sein. Wohin wollte Euer Gemahl, Meitingerin?«
    »Das weiß ich nicht. Er sprach so gut wie nie von seinen Geschäften. An dem Abend, als ... nun ja, er befand sich auf dem Heimweg, ich erwartete ihn bereits.«
    »Wer könnte außer Euch wissen, welches Ziel diese Reise hatte?«, insistierte der Assessor.
    »Ich nehme an, mein Schwäher, aber der ist nicht da. Er ist seit Tagen unterwegs ... und ich weiß ebenfalls nicht, wohin.« Sie stieß einen zornigen Seufzer aus. »Die Männer der Familie Meitinger reden nicht gerne über ihre Angelegenheiten, wie Ihr bemerken dürftet. Es ist nicht meine Schuld.«
    Delius suchte ihren Blick. »Das behauptet niemand. Hoffen wir, dass Euer Vater in der Stadt ist. Könntet Ihr uns seine Adresse geben, bitte?«
    Christiane starrte ihn an. »Mein Vater? Was hat der denn damit zu tun?«
    »Brunnenmeister Walser war ebenfalls in Auerbach an jenem Abend«, berichtete Ditmold. »Er sagte uns, Euer Gatte habe ihn einbestellt.«
    »Was?«
    Ihr Erschrecken war so deutlich, dass die Herren verblüfft schwiegen. Noch ein Mann, der mir nicht sagt, was er tut, fuhr es Christiane durch den Kopf.
    Die Posthalterei war offenbar ein beliebtes Ziel gewesen, denn ihr drängte sich die Erkenntnis auf, dass auch der Jesuitenpater zugegen gewesen war. Es schien fast wie auf einem Empfang alter Bekannter, als ob Meitinger in Auerbach Hof gehalten hätte. Wie vertraut war er eigentlich mit dem Priester gewesen? Sie wusste es nicht, hatte ihn niemals danach gefragt und konnte es nun nicht mehr nachholen. Aber der Jesuit würde sich mit ihrer Neugier auseinandersetzen müssen. Ebenso ihr Vater.
    Christiane beschlich das Gefühl, dass es eine Verbindung zwischen den drei Männern gegeben hatte, die zu dem Treffen in Auerbach mit seinen schrecklichen Folgen geführt hatte. Du bist verrückt, warnte sie eine innere Stimme. Für deine willkürlich gedeuteten Zusammenhänge gibt es eine einfache Erklärung. Doch Christiane schob die vernünftigen Gedanken energisch beiseite.
    Obwohl sie annahm, dass ihr Vater tagsüber bei der Arbeit war – genau wusste sie ja inzwischen wohl gar nichts mehr –, nannte sie ihren Besuchern eine andere Adresse: »Die Amtswohnung des Stadtbrunnenmeisters befindet sich am Roten Tor.« Hans Walser war mit dem Bau eines neuen Brunnens in der Fuggerei beschäftigt, und dorthin wollte sie eilen, um ein ernstes Wort mit ihm zu sprechen, sobald

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