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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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tödliche Droge beimischte. Spielte die schüchterne Martha ihre Sanftmütigkeit vielleicht nur? Lebte hinter der Fassade des Engels der Charakter einer Teufelin? Wolfgang schüttelte den Kopf. Die Vorstellung, Martha Rehm als Mörderin am Strang zu sehen, erschütterte ihn.
    »Was ist los mit dir?«, erkundigte sich Ditmold.
    »Oh ... nichts. Ich dachte über die beiden schönen Witwen nach ...«
    »Warum schüttelst du dabei unaufhörlich den Kopf?«
    Wolfgang hätte nie für möglich gehalten, dass er einmal in Erwägung ziehen würde, Bernhard Ditmold zu belügen. Er wusste jedoch, dass er alles tun würde, um Martha Rehm Leid zu ersparen. Allein die Verdächtigung in einem Mordfall genügte, um sie einem peinlichen Verhör zu unterziehen. Sie unter der Folter zu wissen, verursachte ihm Übelkeit – sofern er jedenfalls nicht überzeugt von ihrer Schuld war. Deshalb durfte er seine Befürchtungen mit niemandem teilen, am allerwenigsten mit dem Mann, der den Fall aufzuklären beabsichtigte.
    Er würde seine eigenen Nachforschungen anstellen müssen, um die Wahrheit herauszufinden. Allein um Christiane Meitingers willen musste er handeln. Würde die schöne Druckerwitwe noch so resolut auftreten, wenn herauskäme, dass ihre Cousine eine Mörderin war? Ich werde sie noch einmal allein aufsuchen und jede für sich zur Rede stellen, beschloss Wolfgang. Bei diesem Gedanken fühlte er sich erstaunlich wohl.
    »Ich frage mich«, sagte er zu seinem Freund und hielt den Kopf gerade, »warum eine Witwe den schriftstellerischen Nachlass ihres Gemahls fortgibt.«
    »Was sollte sie sonst damit tun? Warten, bis ein Narr von einem Verleger aus dem Nichts auftaucht und die Werke posthum drucken will? Das ist gänzlich unwahrscheinlich. Ich finde es übrigens erstaunlich, dass die beiden Frauen deine Geschichte so ohne weiteres geglaubt haben.«
    »Ich bin eben ein vertrauenswürdiger Mensch«, gab Wolfgang schmunzelnd zurück. Ernst fügte er hinzu: »Immerhin aber sind die Texte das einzige Erbe, das die Witwe von Sebastian Rehm besaß. Mehr war sicher nicht da. Warum also gibt sie das aus der Hand?«
    »Vielleicht hat ihr dieser Imhoff ein kleines Salär dafür gegeben. Ein Schriftsteller wird mit dem Werk eines anderen mehr anfangen können als eine mittellose Witwe ...«
    »Vor allem, wenn es sich um Fälschungen über Martin Luther handelt«, versetzte Wolfgang grimmig.
    »Ja. Diese Sache sollten wir keinesfalls aus den Augen verlieren ... Komm, hier entlang. Das Haus dort drüben sieht mir aus, als gehöre es einem berühmten Dichter.«
    »Du lieber Himmel«, entfuhr es Wolfgang angesichts des Gebäudes auf der anderen Seite der vornehm mit kleinen Kieseln gepflasterten Straße. »Was hat der sich denn dabei gedacht?«
    Die Prachtentfaltung war atemberaubend, aber auf gewisse Weise abstoßend, denn es handelte sich hierbei um nichts anderes als um die Verherrlichung des eigenen Talents. Es gehörte seit geraumer Zeit ganz allgemein zum guten Ton der besseren Gesellschaft, die Fassade des eigenen Hauses mit Fresken zu schmücken. Diese Darstellungen waren häufig Legenden aus der Antike, manchmal orientierten sie sich an Jagdszenen, häufig an Rittermärchen. Wolfgang hatte erwartet, dass sich ein Autor für Malereien entscheiden würde, die von den Musen erzählten, nicht aber, dass Georg Imhoff die Vorderfront seines Hauses mit seinem eigenen Werk zierenlassen würde: Als wäre es aus Bütten, war das Mauerwerk Zeile um Zeile mit Versen beschrieben, und es stand außer Frage, dass diese dem Geist des Hausbesitzers entsprangen.
    »Man nennt es Eitelkeit«, kommentierte Bernhard trocken. »Der Mann scheint in Augsburg eine Berühmtheit zu sein. Andernfalls hätte ihm der Rat eine solche Zurschaustellung des eigenen Talents sicher untersagt. Kennst du die Werke dieses Georg Imhoff?«
    »Nein. Nie gehört. Aber das hat nichts zu bedeuten. Unterhaltungsliteratur ist nicht mein Metier ...«, Wolfgang reckte den Hals, um die Verse unter dem Dachfries lesen zu können: » Deine Augen leuchten wie Sterne, deine Lippen wie Rosen, und ich will der Tau auf deinen Blättern sein, dein Himmel ... ganz nett – für einen verliebten Ritter.«
    Ditmold murmelte etwas Unverständliches, was eher wie das Knurren eines Hundes klang, dem ein Knochen vorenthalten wurde, denn als Zustimmung. Er hob die Hand und betätigte die schmiedeeiserne Schelle neben der Eingangstür. Ein melodisches Glockenspiel erklang. »Musikalisch ist der

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