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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Buchführer würde ihr keine weitere Auskunft geben. Vielleicht war das in Anbetracht seiner Gefälligkeit und des Inhalts der Texte auch verständlich. Aber die Enttäuschung saß tief, denn sie hatte gehofft, Licht ins Dunkel bringen zu können. Sie musste sich anderswo nach einer Informationsquelle oder – besser noch – nach einem Ratgeber umsehen, der ihr helfen würde, Meitingers Mörder und den Auftraggeber für die Fälschungen zu finden.
    Ihre Finger griffen fast zwangsläufig nach den Perlschnüren, die sie trotz ihrer schwarzen Garderobe am Mieder befestigt hatte. Es waren die Ketten, die der kleine Johannes damals in Rehms alter Wohnung zerrissen hatte; sie waren längst wieder aufgefädelt ...
    Georg Imhoff.
    Der Name des Dichters erschien in goldenen Lettern vor ihrem geistigen Auge, gleich der glänzenden Rüstung eines edlen Ritters, der herbeigeritten kam, um sie vor den Unbilden des Lebens zu retten.
    Er war zwar längst nicht mehr ihre erste Wahl, aber er war wohlhabend und sowohl an einer weiteren Zusammenarbeit mit der Druckerei Meitinger wie auch an ihrer Person interessiert. Was lag also näher, als diesen Mann sowohl um finanzielle Hilfe zu bitten wie auch um seine Unterstützung bei ihrer Suche nach der Wahrheit?
    »Gehabt Euch wohl«, wünschte Christiane dem Buchführer und wandte sich entschlossen ab, um den Weg in Richtung Obstmarkt einzuschlagen.
    Georg Imhoff war in vielerlei Hinsicht die erste Wahl.Wieso war sie darauf nicht sofort gekommen? Mit ihm würde sie die wirtschaftliche Krise meistern. Sicher wäre er an einer Teilhaberschaft interessiert, und als Mitinhaber der Druckerei würde er an seinen Werken noch mehr verdienen denn als Autor. Außerdem war ihm sicher daran gelegen, den Namen seines Verlegers nicht durch Pamphlete beschmutzt zu wissen ... Und wenn er die schöne Witwe noch als Draufgabe bekam, sollte seiner Hilfsbereitschaft eigentlich nichts im Wege stehen. Ja, eine Verbindung mit dem berühmten Schriftsteller war die beste Lösung.

26
    Georg Imhoff empfing seine Besucherin in einem leuchtend roten, mit goldenen Bordüren bestickten Seidenmantel, der farblich zur Uniform seines kleinen, schwarzen Dieners passte. Der Aufwand, den er mit dieser Garderobe trieb, war eines Königs würdig, aber Christiane wunderte sich angesichts der Pracht, mit der sein Haus überschüttet war, nicht einmal mehr darüber. Der Schriftsteller lebte in Verhältnissen, welche die der meisten Menschen, die sie kannte, weit überstiegen. Brokat, schimmernde Hölzer und silberne Leuchter, wohin sie sah. Es duftete nach Bienenwachs und Rosenwasser, die dick gewebten orientalischen Teppiche schluckten jeden Schritt, die mit Stoff bespannten Wände dämpften ihre Stimmen. Seltsamerweise waren nirgends Bücher zu entdecken. Nirgendwo wurden wertvolle, in Leder gebundene und mit Goldschnitt versehene Folianten als Schätze in einem Schrank gehütet, keine Kisten oder Fässer mit Papierbögen standen herum, kein Regalbord bog sich unter Neuerscheinungen. Christiane wunderte sich über diesen Mangel an Literatur in einem Schriftstellerhaushalt, aber vermutlich verwahrte der Hausherr seine Lektüre in einem speziellen Raum und nichtim Eingangsbereich oder dem Empfangszimmer, in das sie von dem kleinen, dunkelhäutigen Diener geführt wurde.
    »Was für eine Freude, Euch zu sehen, meine liebe Christiane Meitinger«, Georg streckte beide Arme nach ihr aus und ergriff ihre Hände. Das Lächeln in seinen Augen verdunkelte sich, als er sie betrachtete: »Es mag unhöflich sein, und ich sage es ungern ... dennoch: Ihr seht nicht wohl aus. Muss ich mir Sorgen um Euch machen?«
    »Nicht mehr, als ich es selbst tue.«
    »Dann besteht reichlich Anlass dazu.«
    Sie war enttäuscht, denn eigentlich wähnte sie sich trotz der vorhin vergossenen, längst versiegten Tränen recht attraktiv. Sie trug ihr elegantes Trauerkleid, welches natürlich hochgeschlossen war, so dass sie ihn nicht mit einem tiefen Ausschnitt beeindrucken konnte. Allerdings stand ihr der halsferne, schwarze Spitzenkragen sehr gut, die Farbe ließ ihr Gesicht noch schmaler wirken und harmonierte mit ihrem wie altes Kupfer schimmernden Haaren unter der Witwenhaube. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, dass sie so aussah, wie sie sich fühlte, wenn Imhoff jedoch den Hauch einer Ahnung besaß, musste sie ihre Strategie ändern.
    »Ich bin vor Titus Meitingers bösem Blick geflohen«, behauptete sie und schenkte Georg ein absichtlich zerknirscht

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