Die Hüterin des Schattenbergs
was geschehen war, nicht wirklich zu begreifen. Es dauerte lange, ehe Jordi mit dünner Stimme zu fragen wagte: »Und was … was machen wir jetzt?«
Rik straffte sich: »Ich weiß es nicht«, sagte er aufrichtig. »Auch die Hüter, so scheint es mir, hätten niemals für möglich gehalten, dass ein solches Unglück geschehen könnte. Sonst hätten sie uns gesagt, wie wir uns verhalten müssen. So kann ich euch nur sagen, was Galdez mir stets geraten hat: Für den Fall, dass ihm einmal etwas zustoßen sollte, trug er mir auf, den Meistermagier Corneus aufzusuchen und ihn um Rat zu fragen. W enn es also jemanden gibt, der uns weiterhelfen kann, dann ist es Corneus.«
»Dann sollten wir zu ihm gehen.« Jordi presste die W orte so schnell hervor, als fürchte er, Rik könne ihn zurücklassen.
»Ich will auch mit!«, sagte ein anderer Junge und ein Mädchen schluchzte unter T ränen: »Ich auch.«
»Wir werden alle gehen!« Jeminas erhob ihre Stimme fest und bestimmt über den Lagerplatz. »Wir sind Eleven, die erwählten Erben der Hütermagie. A uch wenn die meisten von euch ihre A usbildung noch nicht beendet haben, so wissen wir doch mehr über das Leben und W irken der Hüter, als jeder andere in diesem Land. Ihr alle seid erwählt, dem Zirkel zu dienen und das Land vor den Schatten zu beschützen. Deshalb müssen wir zusammenbleiben.«
Sie verstummte kurz, schaute sich um und fuhr fort: »Wir werden das tun, was Galdez Rik geraten hat – und zwar schnell. Die Hüter sind tot. Ihr Einfluss auf den Schattenberg schwindet. Niemand weiß, wie lange ihre Magie die Schatten noch im Berg halten kann, aber so viel ist sicher, viel Zeit bleibt uns nicht, um einen Neunten Zirkel zu erschaffen.«
Sie begruben Burcan um die Mittagszeit am Fuße einer T rauerweide und schmückten sein Grab mit Blumen. Er war der einzige Hüter, dem sie diese letzte Ehre erweisen konnten. So trauerten sie gemeinsam an seinem Grab um alle, von denen sie keinen A bschied nehmen konnten.
Khira hatte eine einfache Flöte aus unterschiedlich langen Schilfrohrstücken aus ihrem Gepäck geholt und spielte eine wehmütige Melodie. Jemina sandte die rituellen A bschiedswörter an die Götter und bat sie, Burcan und die anderen Hüter in die Halle der A hnen aufzunehmen.
Am Ende stand Rik auf, hob die Hand zum Schwur und sagte feierlich: »Im Gedenken derer, die gegangen sind, schwöre ich, die Eleven zu Corneus zu führen. Ich schwöre, nicht eher zu ruhen, bis wir … bis wir würdig sind; euer Erbe anzutreten.« Er verstummte kurz, als müsse er erst Kraft sammeln, für das was, er nun sagen wollte, dann straffte er sich und fügte ernst und feierlich hinzu: »Was immer nötig sein mag, um die Magie des Schattenbergs zu erhalten, wir werden es erlernen. W as immer getan werden muss, werden wir tun, um unsere Heimat und die Menschen, die dort wohnen, vor den Schatten zu beschützen.
Mögen die Götter uns wohlgesonnen sein und beistehen, damit die Zeit ausreicht, um das Unmögliche zu vollbringen.« Rik verstummte und biss sich auf die Unterlippe. Für einen A ugenblick hatte Jemina das Gefühl, als hätte die W orte ihm Schmerzen bereitete aber es war wohl nur die T rauer um Galdez, die ihn bedrückte, denn er senkte den Blick und schloss die A ugen zu einem kurzen Gebet. A ls er geendet hatte, nickte er den anderen zu und sagte knapp: »Es ist so weit. W ir brechen auf.«
Niemand erhob Einwände und so folgten Jemina und die acht Eleven Rik schweigend, als dieser sich auf den W eg zum Ufer machte, wo die Boote bereits vertäut und fertig beladen im seichten W asser lagen. Da die Hüter nicht viel mit sich geführt hatten, war das Lager von den Jüngsten rasch abgebaut worden, während die Älteren das Grab für Burcan ausgehoben hatten.
»Kennst du den W eg?« Jemina schloss zu Rik auf und richtete die Frage so leise an ihn, dass die anderen es nicht hören konnten. Der Nebel war noch immer so dicht, dass man über dem W asser die Hand vor A ugen nicht sehen konnte. Obwohl Jemina es gewohnt war, sich Landmarken einzuprägen, sah sie sich bei diesem W etter außerstande, den Heimweg im Nebel zu finden und sie fürchtete, dass es Rik ähnlich erging.
»Solange wir das Ufer rechts von uns haben, sind wir auf dem richtigen W eg«, erwiderte Rik, ohne eine Spur von Unsicherheit in der Stimme. »Wenn wir die fünfhundertjährige Eiche passiert haben, müssen wir rechts in einen Nebenfluss einbiegen. Die Strömung wird uns dann in etwa drei T
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