Die Hüterin des Schattenbergs
agen zu dem Dorf führen, in dessen Nähe Galdez und ich gelebt haben. V on dort müssen wir zu Fuß weiter. Corneus’ Heim, die Feste der Magier, liegt einen guten T agesmarsch vom Dorf entfernt in den Hügeln von Ponth.«
»Ich hoffe, dort scheint die Sonne«, sagte Jemina mit einem mürrischen Seitenblick auf den Nebel. Die traurigen Ereignisse der letzten Stunden hatten sie für eine W eile von dem niederdrückenden Grau ringsumher abgelenkt, aber nun spürte sie wieder, wie sehr sich jede Faser ihres Körpers nach Sonnenlicht sehnte.
Rik gab sich zuversichtlich. »Als wir zum Nebelsee fuhren, begann der Nebel unmittelbar an der Eiche«, sagte er.
Sie hatten den See erreicht. V on den zehn Booten, mit denen sie gekommen waren, würden sie die Hälfte zurücklassen. Die fünf übrigen hatten sie mit Seilen aneinandergebunden, damit sie sich im Nebel nicht verloren. In den ersten drei lagen Proviant und Decken. Die beiden hinteren waren mit der Habe der Hüter beladen. Rik, Jemina, Jordi und Farith, die den ganzen Morgen geweint hatte, bestiegen das erste Boot, die anderen verteilten sich auf das zweite und dritte, wobei immer zwei ältere und einer der jüngeren Eleven eine Gruppe bildeten. Nacheinander stießen sie sich vom Ufer ab, aber es dauerte noch eine ganze W eile, bis die Boote eine geordnete Reihe bildeten. Irgendwann hatten sich alle an den T akt von Riks Ruderschlag gewöhnt und die Boote glitten langsam aber stetig am Ufer entlang.
Jemina ließ den Blick voller Unbehagen über das W asser schweifen. Sie war froh, den Lagerplatz mit seinen schrecklichen Erinnerungen hinter sich zu lassen, fürchtete aber, weitere T ote im W asser zu entdecken und betete im Stillen darum, dass ihnen ein solch grausiger Fund erspart blieb. Hinter sich hörte sie Farith leise schluchzen. Jordi, der sich tapfer gab, versuchte das Mädchen zu trösten, aber was er auch sagte, schien wirkungslos an der Mauer aus Kummer abzuprallen, die sie um sich errichtet hatte.
Das Boot schwankte sanft unter Riks gleichmäßigem Ruderschlag. Jemina hatte eines der Ruder übernehmen wollen, aber Rik hielt es für besser, wenn nur einer ruderte und sie sich regelmäßig ablösten. So setzte Jemina sich zu Jordi und Farith und nahm das Mädchen tröstend in die A rme, bis es eingeschlafen war.
»Es ist sehr tapfer, wie du sie tröstest«, lobte Jemina Jordi.
»Ich glaube, ich bin darin nicht besonders gut.« Jordi seufzte.
»Das macht nichts.« Jemina gelang ein Lächeln. »Es ist die Geste, die zählt.«
»Hast du keine A ngst?«, fragte Jordi so überraschend, als würde ihn die Frage schon eine ganze W eile beschäftigen.
»Wovor?« Jemina stellte die Gegenfrage, um Zeit zu gewinnen. Sie fühlte sich für die jüngeren Eleven verantwortlich und wollte sie nicht mit ihren eigenen Sorgen und Nöten belasten. »Ich bin traurig, so wie wir alle«, gab sie ausweichend A ntwort.
»Aber was ist mit den Schatten?«, hakte Jordi nach. »Hast du keine A ngst, dass sie sich befreien und alles zerstören, was wir so lange behütet haben?«
»Natürlich mache ich mir darüber Gedanken«, gab Jemina zu. »Aber es heißt, dass die Magie der Hüter auch über ihren T od hinaus noch eine W eile Bestand hat. Sie schwindet nur langsam. Das gibt uns Zeit, die Magier um Hilfe zu bitten und einen Plan zu ersinnen, wie wir den Schattenberg sichern können.« Sie verstummte und dachte kurz nach. »Ja, ich habe A ngst. A ber ich habe auch Hoffnung, und im A ugenblick ist es die Hoffnung, die überwiegt.«
Jordi nickte ernst. »Dann habe ich auch Hoffnung.«
Sie ruderten den ganzen T ag und die Nacht hindurch.
Die Götter schienen es gut mit ihnen zu meinen, denn als das T ageslicht schwand, das den Nebel etwas erhellte, ging der Mond auf und spendete ihnen gerade so viel Helligkeit, dass sie den dunklen, schemenhaften Uferstreifen zu ihrer Rechten nicht aus den A ugen verloren.
Es war eine stille und kräftezehrende Reise, aber niemand beklagte sich. Die A ussicht, dem Nebel und dem Grauen, das er in sich barg, zu entkommen, spornte sie an. W er müde wurde, fand für eine kurze W eile Schlaf auf den harten Holzplanken der Boote. Die Älteren wachten über die Jüngeren und lösten sich beim Rudern ab.
Am frühen Morgen des nächsten T ages erreichten sie die Eiche, von der Rik gesprochen hatte, und verließen den Nebelsee wenig später mit einer seichten Strömung in nordwestlicher Richtung auf einem breiten flachen Strom, der sie bis kurz vor
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