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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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ihn, von durchzechten Nächten in üblen Spelunken, vom Umgang mit zwielichtigen Gestalten und wüsten Weibern.
    »Ich will es aber von dir hören, von einem Kenner. Du hast dir einen gewissen Ruf erworben, mein Guter.«
    »Ich bitte dich, Ermengarda. Seit wann achtest du auf dummes Geschwätz?«
    Ich musste über sein besorgtes Gesicht lächeln. »Hast du etwas zu verbergen?«
    »Natürlich nicht«, schmollte er in gespielter Entrüstung. »Meine Seele liegt allein dir zu Füßen, und du trampelst darauf herum.«
    »Ach, Peire«, lachte ich. »Du bist unverbesserlich.«
    Wir hatten einen müßigen Nachmittag am warmen Kamin verbracht, mit Liedern, unterhaltsamen Geschichten und auch ein wenig Klatsch und Tratsch, wie es sich so ergibt, wenn man in angenehmer Gesellschaft zusammensitzt und nichts Besseres zu tun hat. Raimon und andere Freunde bei Hofe hatten sich gerade verabschiedet. Auch
Domna
Anhes war davongeeilt, um Anordnungen für das Abendmahl zu treffen, denn wir gaben einen Empfang für Würdenträger der Stadt. Peire Rogier und ich waren allein zurückgeblieben.
    »Zweifelst du an meiner Aufrichtigkeit?«, fragte er.
    Es war ein Spiel. Es gehörte zu seiner Rolle bei Hofe, dass er sich als schmachtender Bewunderer der Fürstin aufführte. Aber nach den vielen Liedern an diesem Nachmittag und dem schamlosen Geplapper über heimliche Liebesbeziehungen bei Hofe oder in der Stadt war ich nicht mehr dazu aufgelegt.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagte ich. »Einer wie du, der ungebunden ist, der sich vergnügt und alles nimmt, was sich ihm darbietet …« Er machte eine entrüstete Handbewegung, als müsste er solche Anschuldigungen weit von sich weisen. »Leugne nicht, Peire«, fuhr ich mit erhobenem Zeigefinger und gespieltem Zorn fort. »Mir ist so einiges zu Ohren gekommen, was dich betrifft. Aber darum geht es mir nicht. Du lebst die Liebe in vollen Zügen, du denkst über sie nach und verewigst sie in deinen Versen. Deshalb sag mir, was ist sie für dich?«
    »
Mon Dieu,
Ermengarda. Mit einer Antwort könnte man ein ganzes Buch füllen«, antwortete er wieder versöhnt. »Dicker als die Bibel.«
    »Nun zier dich nicht.«
    »Das Wort
amor
selbst erklärt schon alles.« Er zwinkerte mir zu. »Es kommt von
amus,
was so viel wie
fangen
oder
gefangen sein
bedeutet. Der Liebende ist Gefangener in den Ketten seiner Begierde und wünscht nichts sehnlicher, als auch den anderen mit diesem Haken zu fangen.«
    »Du bist ein Esel, Peire«, lachte ich. »Der Haken heißt
hamus
und nicht
amus
und hat mit der Liebe rein gar nichts zu tun.«
    Er zuckte mit den Schultern und grinste. »Nun gut. Dein Latein ist besser als meines. Aber du kannst nicht leugnen, dass die Schönheit des anderen Geschlechts uns träumen lässt, in den Armen des anderen zu liegen und all das zu tun, was uns die Liebe in diesem Fall gebietet. Dieses Begehren nach Erfüllung ist doch allen Menschen angeboren.«
    Ich musste an unsere steife
Domna
Anhes denken. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass auch sie solche Träume haben könnte. Aber wahrscheinlich nur, weil in diesem Punkt das Leben an ihr vorübergegangen war.
    »Wenn dem so ist«, sagte ich, »und das will ich gar nicht bestreiten, warum singt ihr
trobadors
dann nicht von der Glückseligkeit der Liebe? Stattdessen klagt und jammert ihr endlos über die versagte, die unerfüllte Liebe. Man sollte meinen, es gäbe nichts als Leid und Weh.«
    »Ah! Da hast du einen wunden Punkt getroffen. Denn mit der Erfüllung entflieht meist die Liebe. Sie wird alltäglich, sie erhebt uns nicht mehr, lässt unser Herz nicht mehr erzittern. Die unerfüllte Liebe dagegen ist die höchste Form der Liebe, die
fin d’amor,
die hohe Minne. Sie währt bis in alle Ewigkeit.«
    »Dichtergewäsch.«
    Er warf mir einen gekränkten Blick zu. »Dichtergewäsch? Vielleicht. Aber eine glückliche Liebe bietet dem Poeten wenig. Die fatale, die verbotene oder die zerstörerische Liebe, das ist Stoff für Lieder. Die Gemüter rührt nicht das Glück, sondern
la passió,
das Leiden der Liebenden, das Begehren, der unerfüllbare Wahnsinn, mit dem sie geschlagen sind, und alle Verstrickungen, die sich daraus ergeben.«
    »Da ist was dran.«
    »Du kennst die Geschichte von Tristan und Iseult?«
    »Wer kennt sie nicht?«
    »Eben. Alle, die sie hören, sind davon ergriffen. Die Liebe, die nicht sein darf. Das Schwert zwischen den Liebenden. Der Fluch des Ehebruchs, der über ihnen hängt.«
    »Aber sie stehlen sich dennoch ihre

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