Die Hure Babylon
hält immer noch alle Fäden in der Hand.«
»Und?«
»Es heißt, Konrad ist wieder bei uns. Gerade aus Konstantinopel eingetroffen und in Acre gelandet. Gesünder als zuvor und voller Tatendrang. Scheint auch noch eine Menge Söldner angeworben zu haben. Jedenfalls möchte er, dass sich Louis ihm anschließt und nach Jerusalem kommt. Darüber reden sie jetzt. Oder, besser gesagt, darüber streiten sie.«
»Aber wir sollen doch Edessa befreien.«
Chastillon zuckte mit den Schultern. »Mir ist es gleich, wo wir kämpfen. Raimon will natürlich lieber gegen Aleppo marschieren. Was ohne Zweifel klug wäre. Nur Louis kann Prinz Raimon nicht ausstehen. Was man ihm nicht verdenken kann.« Er lachte gehässig. »Außerdem flüstern die Bischöfe Louis ins Ohr, dass Gebietserweiterungen von Antiochia nur den Byzantinern als Lehnsherren zugutekämen. Man dürfe Byzanz nicht stärken.«
»Aber Jerusalem? Gegen wen soll die
militia
denn da kämpfen?«
»Damaskus.«
»Bist du verrückt? Das sind doch Verbündete.«
»Ja, weil die Damaszener den Emir Nur ad-Din nicht zu stark werden lassen wollen. Aber das kann sich auch wieder ändern. Stell dir vor, wir hätten Damaskus.«
Arnaut schwirrte der Kopf.
Wussten die überhaupt noch, was sie taten? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Prinz Raimon sich dazu hergeben würde. Und gewiss auch nicht die Königin. Hatten sie deshalb den ganzen Weg gemacht, all die Verluste an Toten und Verwundeten und das Leid und Elend des Marsches ertragen, um jetzt aus persönlichen Abneigungen oder einer Laune Konrads heraus das Ziel der Pilgerfahrt aufs Spiel zu setzen, indem man einen Verbündeten angriff?
♦
Dass König Konrad in Acre eingetroffen war, machte schnell die Runde in der Stadt. Bertran Sant Gille, mit dem Arnaut darüber sprach, konnte Arnauts Entrüstung über eine mögliche Änderung des Feldzugs nicht wirklich teilen. Wie Chastillon schien auch ihn die Sache wenig zu kümmern.
»Verdammt noch mal, Bertran«, rief Arnaut ärgerlich. »Hast du nur Tripolis im Sinn? Alles andere ist dir gleichgültig?«
»Dass ich für Louis kämpfe, habe ich ja schon bewiesen, oder?«, erwiderte Bertran. »Davon abgesehen, hast du recht, Tripolis ist mir wichtig. Wäre dir dein Erbe nicht wichtig?«
»Wir sind ausgezogen, um für Gott zu kämpfen, um Edessa zu befreien, damit christliche Pilger unbelästigt das Heilige Land besuchen können, um unseren Glauben zu verteidigen.«
»Ja, natürlich.«
»Aber was geschieht? Auf dem elenden Weg hierher haben wir nichts als geblutet. Und das wegen unserer byzantinischen Christenbrüder, die mit dem Feind paktieren, und wegen der Unfähigkeit unserer Anführer. Das halbe Heer haben wir im Stich gelassen, und kein Hahn kräht mehr danach, ob sie überhaupt noch leben. Ja, ich grübele in letzter Zeit, wozu wir all diese Opfer gebracht haben. Und du hast nichts anderes im Kopf, als an den eigenen Vorteil zu denken.«
»He, Bruder. Schrei mich nicht an. Ich war den ganzen Weg an deiner Seite, hab alles mitgemacht und mehr Männer verloren als du. Schon vergessen?«
Aber Arnaut hörte gar nicht zu. »Ich sag dir, du solltest sie sehen bei Hofe. Sie vergnügen sich mit Liedern und köstlichen Speisen. Es wird endlos geredet und getagt. Der Prinz will sich Aleppo schnappen. Die Bischöfe verschwören sich gegen Byzanz, denen geht es nur um die Macht Roms. Der König ist eifersüchtig, und die Höflinge nutzen das Gerangel, um sich bei den einen oder anderen in Stellung zu bringen. Attalia ist dabei schon vergessen, Edessa unwichtig geworden. Und die
militia
sitzt tatenlos herum und macht die Hurenhäuser unsicher. Das ist doch alles zum Kotzen, wenn du mich fragst.«
»Mann, hast du aber einen schlechten Tag heute, was?«
»Wozu sind wir hier, kannst du mir das sagen? Sind wir den ganzen Weg gekommen, nur um Prinz Raimon reicher zu machen? Oder damit Louis in Pomp und Glorie in Jerusalem einziehen kann, als Retter der Christenheit?«
»Kann es sein, dass du ein bisschen weltfremd bist, mein Lieber? Du hast zu hehre Erwartungen. Jeder sorgt sich um seinen eigenen Vorteil. Erwartest du etwas anderes?«
Arnaut sah ihn wütend an. Aber dann zuckte er mit den Schultern und seufzte ergeben. »Vielleicht hast du recht. Ich erwarte zu viel. Die gute Nachricht übrigens ist, dass dein Vater in Kürze in Acre erwartet wird.«
»Bist du sicher? Woher weißt du das?«
»Ein Freund aus Narbona, der vor ein paar Tagen in Saint Simeon eingetroffen ist.
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