Die Hure Babylon
einzugehen. »Und umgekehrt? Du könntest doch einen Christen heiraten, wie mich.«
Da wurde sie wieder ernst. »Geht nicht. Ungläubigen zu heiraten ist Todsünde. Dann jeder mich darf umbringen.«
Das wiederum war barbarisch in seinen Augen.
»Glaubst du, Muslime sind bessere Menschen?«
»Früher glaubte ich das. Ich dachte, alle
franj
sind Teufel. Aber nun …« Sie schenkte ihm ein allerliebstes Lächeln.
Was sollte das nun wieder bedeuten?
»Erzähl mir von Nur ad-Din«, sagte er verwirrt. »Ist er ein großer Feldherr?«
Sie schüttelte den Kopf. »Vater Zengi war noch ein besserer Krieger. Aber Gewalt ihm hat wenig genützt. Ist dann selbst ermordet worden. Nur ad-Din ist klüger. Ihr
franj
solltet ihn fürchten. Mehr als Zengi.«
»Warum das?«
»Weil er sehr gläubig ist. Er befiehlt nicht. Er überzeugt. Er ruft alle Muslime zum
djihad
auf.«
»Was ist das?«
»Heiliger Krieg gegen Ungläubige. Zengi wollte immer nur Land erobern. Wie alle Kriegsherren. Für Nur ad-Din ist Land unwichtig. Der Sieg des Glaubens ist ihm alles. Und Menschen folgen ihm. Immer mehr.«
Diese Gespräche, so angenehm sie waren, brachten sein Verständnis der Welt gehörig durcheinander. Beide Seiten predigten den Heiligen Krieg. Wer hatte recht? Wer unrecht? War es das, was der alte Hamid gemeint hatte, als er von den Propheten der Welt gesprochen hatte. Wie sie den Menschen das Hirn vernebeln und ihnen mehr schaden als nützen?
Gelegentlich sah er auch die Königin, in den Sälen des Palastes oder im Garten. Oft war sie in Begleitung des Prinzen. Dann lachte sie viel, schwadronierte mit ihm auf Provenzalisch, während er ihr den Hof machte.
»Sie ist verliebt«, sagte Ayla.
»Was? Das ist unmöglich. Er ist ihr Onkel.«
»Doch. Schau sie dir an.«
Und dann sah er es auch. Alienors Wangen glühten, und ihre Augen leuchteten, wenn der Prinz in ihrer Nähe war. Manchmal berührte sie ihn flüchtig, oder sie verweilten zu lange, wenn er sie zur Begrüßung küsste.
»Kann nicht gut enden«, war Aylas Einschätzung.
»Sie ist viel zu klug dazu.«
»Mensch nicht klug, wenn Liebe.«
Da begann er, für seine Königin zu fürchten. Er bemerkte die giftigen Blicke der Fürstin Constance, die es dem Prinzen heimzuzahlen suchte, indem sie ungebührlich viel Zeit mit dem
Chevalier
de Chastillon verbrachte. Ihm entging auch nicht die offene Missbilligung in den Augen der fränkischen Geistlichen und die höfliche, aber kurz angebundene Art, wie der König mit ihr sprach. Oder dass sich weit weniger der fränkischen Adeligen um sie scharten als zuvor. Nur die Provenzalen und die
trobadors
blieben ihr wie immer treu. Aber die Königin schien dies alles nicht zu kümmern. Wie Ayla sagte, Mensch nicht klug, wenn Liebe.
An einem sonnigen Nachmittag, alles vergnügte sich unter schattigen Bäumen im Garten, tauchte Josselin de Puylaurens auf. Er war verschwitzt und staubig, schien lang und scharf geritten zu sein. Er bemerkte Arnaut, schenkte ihm jedoch nur ein kühles Kopfnicken und schritt ohne Zögern auf die Gruppe um den König zu. Man machte ihm Platz, er huldigte dem Herrscher, sprach ein paar Worte, dann erhoben sich alle hastig und zogen sich gemeinsam mit Josselin in einen der Audienzräume zurück. Den Prinzen luden sie nicht dazu ein. Arnaut fragte sich, was dies wohl zu bedeuten habe.
Am nächsten Tag fing er Reynaud de Chastillon ab, um ihn auszufragen, schließlich schien der Mann Zugang zu den höheren Kreisen zu haben.
»Ich sehe, du hast dich gut mit unserer hübschen Muslima angefreundet«, grinste der blonde Edelmann nach der Begrüßung.
»Und du mit der Fürstin.«
»Ich sage dir«, raunte Chastillon ihm vertraulich zu. »Sollte der Prinz irgendwann das Zeitliche segnen, dann heirate ich die Frau.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Warum nicht? Ein Mann muss das eigene Glück schmieden. Was könnte mir denn Besseres passieren, als über Antiochia zu herrschen?«
Über so viel Selbstvertrauen und unverhohlenen Ehrgeiz konnte Arnaut nur staunen. »Und sie würde dich wollen?«
»Frisst mir aus der Hand, das gute Kind.« Er lachte herzlich über Arnauts verdutztes Gesicht. Dann sagte er: »Aber ich wette, du wolltest etwas anderes von mir.«
»Der Auftritt gestern. Dieser Puylaurens. Du kennst ihn sicher. Was hatte das zu bedeuten?«
»Der ist gerade aus Jerusalem gekommen. Gesandter des jungen Königs Balduin. Oder auch Bettgenosse der Königsmutter Melisende, wie man’s nimmt. Sie
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