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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Verschnürung er löste. Darin befand sich ein kleines Fass, das er vorsichtig öffnete. Er fasste hinein und zog ein tropfendes Etwas heraus, das er hoch in die Luft hielt und sich dabei langsam im Kreis drehte, damit es auch alle sehen konnten. Ein scharfer Essiggeruch machte sich bemerkbar. Arnaut wurde beinahe übel, als er das triefende Haupt des Prinzen von Antiochia erkannte, das der Kerl an den Haaren gepackt hielt und der geifernden Menge zur Schau stellte.
    Ein Orkan des Jubels brach bei diesem Anblick los, der lange währte. Menschen reckten die Arme hoch, umarmten sich und weinten vor Freude. Warum hassten sie den Prinzen so?, fragte sich Arnaut. Einen ehrenhaften Krieger. Aber wenn man in die Gesichter schaute, ahnte man, dass es um mehr als die üblichen Gebietskriege ging. Hier in Outremer standen sich zwei Welten unversöhnlich gegenüber.
    Ali ibn-Wafa, der Anführer der
Haschischin,
war ebenfalls in der Schlacht mit den meisten seiner Getreuen gefallen. Fünf von ihnen hatten überlebt. Diese zerrten die Türken nun nach vorn und führten sie an den Richtblock. Die fünf wehrten sich nicht. Sie blickten stolz und geringschätzig auf die Menge um sie herum. Ein Imam in langem Gewand und mit Bart hielt eine kurze Ansprache mit kehliger Stimme. Die versammelten Menschen antworteten mit einem donnernden Lob auf Allah. Danach wurden die fünf zum Richtblock geschleppt, wo sie ohne viel Federlesens enthauptet wurden. Sie waren Verräter ihrer Glaubensbrüder, und jedes Mal, wenn ein Kopf vom Block rollte und das Blut spritzte, schrie das Volk vor Begeisterung auf.
    Als die Leichen entfernt waren, näherte sich der Hauptmann der
ghulam
den Christen. Sein Gesicht war hart und ausdruckslos. Er schien sich jemanden aussuchen zu wollen, deutete schließlich auf einen großen, blonden Normannen und einen muskulösen Franken. Sein Blick wanderte die Reihe entlang und heftete sich zuletzt auch auf Arnaut. Er musterte ihn von oben bis unten und nickte dann seinen Männern zu, die Arnaut packten und mit den anderen Ausgewählten zum Richtblock zerrten.
    Dort empfing sie ein älterer Mann mit seinen zwei Gehilfen. Er trug einen weißen Bart, Turban und ein Gewand, das ihm bis auf die Füße reichte. Arnaut fielen seine ernsten, fast traurigen Augen auf, als wäre er nur widerwillig an diesem Ort.
    Wieder gab es eine Ansprache des Imam, unterbrochen von Hassrufen aus der Menge. Das ist also das Ende meines Weges, dachte Arnaut, nun werden sie mich töten. Er bemühte sich, gelassen zu wirken, obwohl ihm das Herz bis in die Kehle schlug und die Knie schwach wurden. Aber er würde nicht um sein Leben winseln. Als sie ihm die Ketten abnahmen, nutzte er dies, um sich zu bekreuzigen. Ein letztes hastiges Gebet an die Jungfrau Maria und die Bitte um Vergebung.
    Doch es war nicht sein Kopf, den sie wollten.
    Zwei kräftige Seldschuken ergriffen ihn von hinten, einer der Helfer warf eine breite Schlinge über seinen rechten Arm und zurrte diese so fest, dass es schmerzte. Der andere wickelte ihm einen Lederriemen um die Hand und riss diese mit einem Ruck über den blutigen Richtblock. Sofort setzte der Mann mit dem Turban ein scharfes Messer an sein Handgelenk. Arnaut versuchte vergeblich, sich aufzubäumen, als er verstand. Ein kräftiger Schnitt und er fiel zurück, als die Hand sich vom Gelenk löste.
    Entsetzt und ungläubig starrte er auf die abgetrennte Hand dort auf dem Block. Warum schoss das Blut nicht aus dem Stumpf, warum spürte er so wenig? Doch das änderte sich, als sie seinen Unterarm festhielten und ein breites, glühendes Eisen auf die Wunde pressten. Es zischte fürchterlich und stank nach verbranntem Fleisch. Er hörte sich selbst wie einen Wahnsinnigen brüllen und krümmte sich unter unvorstellbaren Schmerzen.
    Aber sie waren noch immer nicht mit ihm fertig. Einer riss seinen Kopf am Haar zurück. Und dann schien sein Auge wie ein rohes Ei zu zerplatzen, als sich eine glühende Spitze hineinbohrte. In diesem Augenblick hatte Gott Erbarmen mit ihm, denn er verlor die Besinnung.
    ♦
    Als Arnaut langsam zu sich kam, umgab ihn Dunkelheit. Und Schmerz. Ein Meer von Schmerzen, ein ständiges Auf- und Abschwellen, das sich im Rhythmus seines Herzens vom linken Auge über Stirn und Wangenknochen bis ins Innerste seines Hirns ausbreitete, über Nacken und rechte Schulter bis in Arm und Fingerspitzen.
    Vorsichtig hob er die rechte Hand, um das Auge zu betasten, als ein noch schärferer Stich ihn mit einem Schrei

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