Die Hure Babylon
durchtrennte. Ein Schauer durchlief den großen Leib, als das Blut aus der Wunde strömte, ein letzter Blick aus samtenen Pferdeaugen, dann brach der Hengst in die Knie und legte sich auf die Seite. Arnaut hockte sich neben ihn und streichelte ihn, bis er sich nicht mehr regte.
Joris Pferd war in dem Durcheinander nicht zu finden gewesen, nur Ferrans alte Mähre stand treu und unversehrt an der Seite seines Herrn.
»Dich werde ich wohl nicht mehr brauchen«, knurrte Ferran und schlug dem Gaul mit der flachen Klinge auf die Kruppe. Der entfernte sich ein paar Schritte, blieb dann wieder stehen und sah sich um. »Verschwinde, du dummes Viech«, brüllte Ferran und warf einen Stein nach ihm. »Damit wenigstens einer davonkommt.«
Da endlich trollte sich das Tier.
Arnaut sah sich um. Ein neuer Tag hatte begonnen, die Welt nahm Gestalt an. Unbekümmertes Vogelgezwitscher war zu hören, und die Sonne erhob sich über den blassgrauen Umrissen der fernen Berge, verscheuchte die Frühnebel und tauchte die Landschaft in Grün, Gelb und zartes Ocker. Die Luft war frisch und angenehm zu atmen. Es hätte ein guter Tag werden können, wenn da nicht die grimmen Gesichter der Männer um ihn herum gewesen wären, die ihre Helmgurte fester zogen und ein letztes Mal die Ausrüstung prüften.
Musste es denn gerade jetzt sein, nachdem er Ermengardas Brief erhalten hatte? Als wollte der Teufel ihnen im letzten Augenblick die Tür vor der Nase zuschlagen. Fast konnte man sein schadenfrohes Gelächter hören.
Arnaut merkte, wie Jori ihm einen verunsicherten Blick zuwarf. Er vermied, ihm in die Augen zu sehen. »Das sieht heute nach unserem letzten Kampf aus, Jori«, sagte er schließlich. »Bleib dicht an mir dran. Wir versuchen, uns zu wehren, so gut es eben geht.«
Die Schlacht von Inab, die jetzt begann, sollte eine kurze Angelegenheit werden. Die berittenen Bogenschützen des Feindes hatten ihren Beschuss wieder aufgenommen. Im Licht der frühen Morgensonne konnten sie ihre Ziele nicht verfehlen. Immer wieder preschten sie heran und ließen tödliche Pfeile fliegen.
Die christlichen Fußtruppen bemühten sich, einen Verteidigungsring in Dreierreihen aufrechtzuerhalten. Die, die innen standen, schützten den Rücken derer, die ihre Speere nach außen gerichtet hielten. Verwundete Kameraden wurden in die Mitte gezerrt. Doch die Schilde wurden bald schwer vom Gewicht der Pfeile. Die Zahl der Gefallenen stieg, der Ring wurde zusehends kleiner.
Prinz Raimon gelang es noch einmal, eine Reiterattacke auf die Beine zu stellen. An die hundert Ritter, die noch Pferde gefunden hatten, folgten ihm in diesem letzten Ansturm. Vielleicht würden sie eine Anhöhe erkämpfen oder gar den Ausbruch für das Heer erzwingen können. Doch sie mussten bergan gegen einen übermächtigen Feind anrennen. Bald keuchten die Pferde, wurden langsamer und stürzten unter dem Pfeilhagel, der von allen Seiten auf sie einhämmerte.
Aber Raimon hatte die Stelle gut gewählt. Tatsächlich brachen er und vielleicht fünfzig seiner Ritter durch den Ring der Türken. Für sie lag der Weg nach Hause offen. Und ein Gutteil von ihnen nutzte die Gelegenheit, um sich davonzumachen. Doch der Prinz zügelte sein Ross.
Nur ad-Din, der in der Nähe auf einem prächtigen schwarzen Hengst saß, hatte den Bogenschützen Einhalt geboten. Er war bereit, seinen Gegenspieler gehen zu lassen. Nun maßen sich diese beiden Anführer mit forschenden Blicken, der stolze Fürst der Christen und der gottesfürchtige Emir von Aleppo. Beide mochten in diesem Augenblick ahnen, dass die Herrschaft der Christen von nun an wanken würde, dass den Moslems in diesem Land die Zukunft gehörte.
Die Augen des Prinzen richteten sich nach Norden, wo seine Stadt auf ihn wartete, seine Frau und seine Kinder. Noch einmal jedoch blickte er zurück auf die Reste seines tapferen Heeres, eingeschlossen im Kessel der Türken, Männer, die ihm gefolgt waren, seinem Urteil blind vertraut hatten. Wie konnte er sie jetzt im Stich lassen? Da wendete er entschlossen sein Pferd und ritt langsam, aber erhobenen Hauptes zurück.
Aller Augen waren dabei auf ihn gerichtet. Es war totenstill geworden. Eine Handvoll seiner Gefährten folgte ihm bis hinunter zur christlichen Schlachtreihe. Dort stieg er vom Pferd, zog sein Schwert und reihte sich unter gewaltigem Jubel seiner Krieger in die Schildwand ein.
Als die Hochrufe verklungen waren, gab Nur ad-Din den Befehl zum erneuten Angriff. Doch diesmal ließen die
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