Die Hure Babylon
Türken ihre Pferde zurück und kamen zu Fuß, um die Sache so schnell wie möglich zu beenden.
Mit Prinz Raimon in ihrer Mitte kämpften die Christen wie die Löwen. Er machte es ihnen vor. Sein Schwert war unersättlich. Zahllos die Angreifer, die vor ihm fielen. Und so brüllten sie dem Feind ihre Todesverachtung entgegen, sangen die alten Schlachtenlieder, warfen sich schonungslos ins Gefecht und ließen die Türken für jeden ihrer toten Kameraden mehr als teuer bezahlen. Auch wenn sich die Erschlagenen vor ihnen türmten, es änderte jedoch nichts daran, dass das Häuflein Christen immer kleiner wurde.
Arnaut und Jori standen Rücken an Rücken, von oben bis unten mit Blut besudelt. Einiges davon auch ihr eigenes. Ferran war schon lange tot, lag irgendwo nicht weit mit gespaltenem Schädel unter einem Haufen Türken. Schweiß rann ihnen in Bächen von der Stirn, der Atem keuchte, die Beine drohten zu versagen. Arme und Schultern brannten wie Feuer, und der Schild war bleischwer geworden. Und doch gaben sie nicht auf, folgten dem Zwang zu töten, wer auch immer sich ihnen entgegenstellte.
Aber am Ende wichen die Feinde vor ihnen zurück. Der Schlachtenlärm verebbte. Es wurde still. Benommen sah Arnaut sich um. Nicht mehr viele von den Christen standen noch auf den Beinen. Vielleicht einhundertfünfzig, vielleicht auch weniger. Arnaut sah, wie diese sich nun ergaben. Einer nach dem anderen ließen sie die Waffen fahren. Arnaut verstand nicht. Er wischte sich Blut und Schweiß von der Stirn und packte seinen Schild fester.
Da trat ein Türke vor. Er schien ein Anführer zu sein.
»Franj«,
rief der Mann. »Dein Fürst ist gefallen. Es ist vorbei. Warum sollen noch mehr ihr Leben lassen?«
Sein Schwertarm wies auf die vielen Toten und Schwerverwundeten auf dem Feld. An Stellen lagen sie in Haufen übereinander.
»Wenn du mein Schwert willst, Türke, dann komm und hol es dir«, brüllte Arnaut trotzig zurück.
»Du hast heute viele Weiber zu Witwen gemacht,
Franj.
Einen Kerl wie dich werden sie gewiss auslösen. Bis dahin gebe ich dein Schwert dem Emir zur Aufbewahrung. Ich verspreche es dir.«
»Was denkst du, Jori?«, raunte Arnaut.
Jori spuckte Blut. Irgendein Kerl hatte ihm einen Zahn ausgeschlagen. Auch sonst blutete er aus mehreren Wunden. Eine lief ihm von der Schläfe bis ans Kinn. »Wir haben getan, was wir konnten«, sagte er matt. »Es ist jetzt gut, glaube ich.«
Arnaut überkam eine unendliche Müdigkeit. Niemand würde sie beide je auslösen. Daran konnte er nicht glauben. Niemand würde überhaupt von ihrer Gefangennahme erfahren. Ermengarda würde er nie mehr wiedersehen. Jedenfalls nicht in diesem Leben. Vielleicht wäre es besser, einfach jetzt gleich zu sterben. Wie Ferran und Severin. Wie Esteban. Aber dann ließ er doch den Schild fahren und warf das Schwert zu Boden.
»Ich heiße Arnaut de Montalban. Merke es dir gut«, antwortete er dem Türken und ließ es zu, dass sie ihn banden.
Die Zitadelle
N eben Waffen und Rüstungen hatte man den Gefangenen auch alles andere an Wertvollem genommen. Sie mussten helfen, die Toten des Feindes zu begraben, und waren dann fünf Tage lang marschiert, zu Fuß und aneinandergekettet. Nur die Edelleute von Rang unter den Christen, die Lösegeld wert waren, hatten reiten dürfen. Die anderen schleppten sich in brütender Glut über staubige Straßen, mit verkrusteten Wunden und angetrocknetem Blut auf Haut und Kleidern. Hitze und Durst waren schier unerträglich.
Um sie zur Eile anzutreiben, hatten die Seldschuken nicht mit Stockschlägen gespart. Doch es waren zu viele Verwundete unter den Gefangenen, um schneller voranzukommen. Und zurücklassen wollten sie keinen, denn die bezwungenen Christenkrieger sollten im Siegesmarsch durch die Straßen von Aleppo geführt werden.
Der Weg hatte zuletzt an Weizenfeldern, Pistazien- und Olivenhainen vorbei in eine im Norden und Westen von sanften Erhebungen umgebene, fruchtbare Ebene geführt, in der sich nun vor ihren Augen mächtige Stadtmauern erhoben. Und darüber, auf einem Felshügel, die gewaltige Zitadelle.
Als der Heerzug sich näherte, kamen Menschen herbeigeströmt, säumten die Straße und betrachteten mit großen Augen die fremden Krieger, die gedemütigt an ihnen vorüberzogen. Manche hoben die Fäuste und warfen ihnen, obwohl sie die Worte nicht verstanden, ganz offensichtlich Häme und Beleidigungen ins Gesicht. Auf einer breiten Brücke überquerten sie den Fluss, an dem Aleppo lag, um
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