Die Hure Babylon
Ränke waren ein rotes Tuch für sie.
»Gott behüte, nein! Aber es ist doch eine Gelegenheit für viele, das Seelenheil zu erlangen. Wollt Ihr ihnen das vorenthalten?«
»Für sein Seelenheil muss niemand in den Krieg ziehen. Es genügt, ein frommes Leben zu führen. Auch zum Beten haben wir Schreine und Kirchen genug.«
Puylaurens runzelte die Stirn. Die Richtung, die dieses Gespräch genommen hatte, passte ihm ganz offensichtlich nicht, doch er beherrschte sich.
»Aber, edle
Vescomtessa.
Es ist ausdrücklicher Wunsch des Heiligen Vaters. Dem wollt Ihr Euch doch wohl nicht widersetzen?« Ein überlegenes Lächeln, das man fast als unverschämt bezeichnen konnte, zeigte sich auf seinen Lippen.
Ermengarda schien dies noch mehr zu reizen. »Der Heilige Vater?« Sie hob das Kinn und bedachte ihn mit einem eiskalten Blick aus blauen Augen. »Seien wir doch mal ehrlich,
Mossenher
Josselin. Gleichwohl, was man dem dummen Volk erzählt. Eure Königin war es, die den Papst um Hilfe angefleht hat. Und warum? Einzig, um ihre Krone zu erhalten. Die Wahrheit ist doch, da haben sich einige Fürsten vor vielen Jahren ein schönes Stück Land zusammengeraubt. Auch Melisendes Vater war einer von ihnen. Und nun soll das gestohlene Land mit dem Blut unserer Männer hier verteidigt werden?«
»Gestohlenes Land?« Puylaurens verschluckte sich fast an seinem Wein. Die Zornesröte stieg ihm in die Wangen. Er sprang so heftig auf, dass sein Becher umfiel und der rote Inhalt in die bestickte Decke sickerte.
»Unerhört!«, schrie er. »Ihr redet vom Heiligen Land. Von Orten, wo Gott der Herr gewandelt ist. Wäret Ihr ein Mann,
Midomna,
würde ich diese Worte mit dem Schwert bestrafen.«
Arnaut, den die überhebliche Art des Gastes schon eine ganze Weile geärgert hatte, stieß nun ebenfalls den Stuhl zurück, und zwar so brüsk, dass er polternd umstürzte. Was nahm sich dieser Kerl heraus? Niemand sprach so mit einer Fürstin, am wenigsten mit Ermengarda.
»Mäßigt Euren Ton,
Mossenher
«, knurrte er und legte die Hand an den Schwertgriff. »Wenn Ihr aber Streit sucht, stehe ich gern zur Verfügung.«
Die Templer waren nun ebenfalls aufgesprungen. Hugues hob beschwörend die Hände, während Étienne de Bernay grinste, als könne er es nicht abwarten, sich zu prügeln. Raimon versuchte, Puylaurens zu beschwichtigen, der ihn aber unwillig zur Seite stieß, zum Ärger von Severin und Felipe, die drohend näher traten.
»Messenhers«,
rief der alte Abt und rang die Hände. »Ich flehe die Herren an …«
»Arnaut, ich bitte dich«, ließ sich nun auch Ermengarda vernehmen. Sie fürchtete sein ungestümes Wesen. »Ich habe mich im Ton vergriffen. Setz dich wieder. Setzt euch alle wieder hin!«
Niemand achtete auf sie.
»Als Gäste dieser Stadt habt Ihr unserer Fürstin Achtung zu erweisen«, sagte Arnaut ziemlich laut und mit kalter Wut in der Stimme. »Ich erwarte eine Entschuldigung.«
Doch Puylaurens lachte ihm ins Gesicht. Vielleicht scheute er sich, vor einer Frau klein beizugeben.
»Wofür denn? Dass wir ein paar Kerlen das Gelübde abgenommen haben? Wir verlangen nicht mehr, als es eines jeden Christen Pflicht ist.«
Er warf den Kopf mit der blonden Mähne in den Nacken und schob angriffslustig das Kinn vor. Über seinen hochroten Wangen funkelten die Augen wie blaue Saphire. »Aber ich sehe schon«, schrie er aufgebracht. Er schien nun jedes Maß verloren zu haben. »In dieser Stadt gibt es wohl nur Memmen und Weichlinge, sonst würden sie sich nicht von einem Weib so herumkommandieren lassen.«
Jetzt war der ganze Saal auf den Beinen und tobte. Nach solchen Worten war es für jede gütliche Einigung zu spät. Auch die restlichen Templer waren von ihren Sitzen aufgesprungen und umringten schützend Puylaurens und ihre Anführer. Beide Seiten schrien durcheinander, maßen sich mit zornigen Blicken und bewarfen sich mit weiteren Beleidigungen. Severin zog als Erster sein Schwert. Nur Raimon hinderte ihn im letzten Augenblick daran, es zu gebrauchen.
Es wäre zweifellos zu Schlimmerem gekommen, wenn Ermengarda sich nicht plötzlich gekrümmt und aufgeschrien hätte, die Hand auf den Bauch gepresst.
Arnaut, der ebenfalls die Waffe gezogen hatte, sah erschrocken zu ihr hinüber, schwankte, was er tun sollte, war dann aber doch an ihrer Seite, um sie zu stützen.
»Es geht mir nicht gut«, flüsterte sie. »Bring mich in meine Kammer.«
Als er sie hinausführte, hörte er Puylaurens verächtlich lachen. Wütend
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