Die Hure Babylon
Mädchen, in das er sich einst Hals über Kopf verliebt hatte. Nun war sie ganz Fürstin und strahlende Gastgeberin. Josselin machte ihr den Hof, und sie bedankte sich, indem sie ihm eigenhändig die besten Stücke auf den Teller legte.
Der Templer Hugues de Bouillon beteiligte sich bereitwillig an den Gesprächen. In seinem weißen Gewand strahlte er eine natürliche Würde aus. Étienne de Bernay dagegen nahm wenig an der Geselligkeit teil, so dass man ihn bald kaum mehr beachtete. Sein Blick jedoch wanderte mehr als gebührlich zu den hübschen Frauen an der Tafel, nicht ohne einen geringschätzigen Zug um den Mund, als würde er Prunk und Putzsucht der Damen verachten.
Josselin, der wenig trank, dafür viel und ausgelassen lachte, schien seine Augen überall zu haben. Mehr als einmal spürte Arnaut seinen abschätzenden Blick auf sich ruhen. Und wenn der Mann sich dabei ertappt fühlte, zwinkerte er ihm seltsam verschwörerisch zu, als hätten sie etwas gemeinsam. Besonders aber ließ er Ermengarda nicht aus den Augen. Vielleicht war ihm doch bei all ihrer zur Schau getragenen Herzlichkeit eine vorsichtige Zurückhaltung nicht entgangen. Arnaut erwartete, dass er das Anliegen seiner Reise zur Sprache bringen würde. Doch in dieser großen Runde vermieden sowohl Josselin wie Ermengarda, darüber zu reden.
Am folgenden Tag ließen sich die Fremden durch die Stadt führen, besuchten die ehrwürdige Kathedrale Sant Just, sprachen beim Erzbischof vor, der ihnen in allem Unterstützung versprach, und knieten lange vor den Gebeinen Sant Pauls in der gleichnamigen Basilika. Den ganzen Tag über war ihr Lager umringt von Schaulustigen. Auch Jori und sein neuer Freund Lois Bernat waren darunter, begutachteten die Pferde und bestaunten die fremdländischen Waffen und Gewänder. Von den Frauen war diesmal nichts zu sehen.
Am Nachmittag, in einem mit Seilen abgegrenzten Bereich, hielten die Templer zur Belustigung des Volkes Schaukämpfe ab. Einige von ihnen hatten sich als Sarazenen mit runden Schilden und Turbanen verkleidet, gegen die die weißen Ritter zu kämpfen hatten. Die Ordenskrieger beeindruckten durch Waffengeschick und Reitkunst, und jedes Mal, wenn einer der vermeintlichen Gegner mit stumpfer Lanze vom Pferd gestoßen wurde, jubelte das Volk in heller Begeisterung.
Am Ende der Veranstaltung hielt der Templer Hugues de Bouillon eine Messe ab. Dann riefen die Mönchsritter die umstehenden Männer auf, das Kreuz zu nehmen. Sie sangen Psalmen und brachen immer wieder in den Ruf
»Dieu lo vult«
aus, Gott will es. Aus der großen Menge, die sie umgab, bildete sich langsam eine lange Schlange von jungen Männern. Die Kampfkraft und Geschicklichkeit der Templer hatte ihnen Mut gemacht. Mehr als das. Es hatte ihnen wie junger Wein die Sinne berauscht. Mit Kriegern wie diesen würde man doch gar nichts anderes als den Sieg erringen können, so dachten sie und legten ihr Gelübde ab. Es wären noch viel mehr gewesen, hätten Mütter und Weiber sie nicht unter Tränen zurückgehalten.
Als Ermengarda davon erfuhr, war sie außer sich über eine solche Eigenmächtigkeit. Die schrillen Töne des Abtes von Clairvaux waren ihr noch im Ohr. Und nun dies.
Am Abend wurde im kleineren Kreis gespeist. Ermengardas Beichtvater, der Abt Imbert des Klosters Sant Paul, war zugegen, ihre engsten Getreuen, eine Reihe wichtiger Edelleute und natürlich Josselin und die Ritter des Ordens.
Diesmal war von Herzlichkeit wenig zu spüren. Ermengarda war bleicher als sonst, ihr Gesicht verschlossen. Am Nachmittag hatte sie über Unpässlichkeit geklagt. Nur mit Mühe schien sie sich eine höfliche Begrüßung abzuringen. Auch wenn sie noch jung war, ihre Wirkung auf andere war so, dass ihre Stimmungen einen ganzen Saal erfassen konnten. Alle merkten gleich, dass es Ärger geben würde, und schauten unsicher um sich. Josselin de Puylaurens wusste wohl, dass er ihre Gastfreundschaft ausgenutzt hatte, und verschanzte sich hinter einem spöttischen Lächeln.
»Wie könnt Ihr es wagen, ohne meine Einwilligung den Leuten das Gelübde abzunehmen?«, fuhr sie ihn an, kaum, dass man sich zum Mahl niedergelassen hatte.
Die Templer machten verlegene Gesichter. Doch Josselin lehnte sich selbstbewusst zurück und ließ sich von ihrem Ton nicht beeindrucken.
»Ich dachte, Ihr wäret darüber erfreut«, sagte er. »Außerdem, der Erzbischof …«
»Wollt Ihr etwa den Erzbischof gegen mich ausspielen?«
Erzbischof Leveson und seine ständigen
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