Die Hure Babylon
durch das Innere streichen und bei schlechtem Wetter den Rauch des Kochfeuers abziehen. Die Beduinen brennen getrockneten Kameldung. Sauberer als Holz.« Er lachte. »Es muss Euch seltsam erscheinen, dass ich in so einem Zelt reise. Aber während meiner Feldzüge in den heißen Gegenden unseres Landes habe ich mich daran gewöhnt.« Er wies auf einen der Stühle. »Warum setzt Ihr Euch nicht?«
»Ich habe noch einiges zu erledigen.« Der Gedanke an die junge Frau hinter dem Vorhang machte Arnaut verlegen. »Wir sehen uns später im Palast.«
»Wenn Ihr vielleicht etwas Futter für die Tiere erübrigen könntet …«
»Ich werde sehen, dass Ihr aufs beste versorgt werdet.«
Mit gemischten Gefühlen kehrte Arnaut zum Palast zurück. Der Mann war freundlich genug, redete viel und lachte gern. Aber in seinen Augen lag etwas Kaltes.
Als er Ermengarda von den Frauen im Lager und der jungen Sklavin in Josselins Zelt erzählte, zog ein Schatten über ihr Gesicht. Sie hasste Sklaverei und rechnete es sich selbst hoch an, einst ihre Magd Jamila aus den Klauen eines brünstigen Edelmannes befreit zu haben.
Sie schüttelte den Kopf. »Deshalb also wollten sie nicht im Palast wohnen. Das nächtliche Vergnügen ist ihnen wichtiger. Diese Frauen können einem leidtun.«
»Aber die meisten sind doch Tempelritter, Diener Gottes. Sie haben gewiss ein Keuschheitsgelübde abgelegt.«
Sie sah ihn an, als sei er ein einfältiges Kind. »Ach, Arnaut. Manchmal bist du einfach zu gutgläubig. Außerdem ist es wohlbekannt, dass besonders die in Outremer Geborenen schon halbe Sarazenen sind und jeden sittlichen Anstand verloren haben.«
»So. Sagt man das?« Er mochte es nicht, wenn sie ihn belehrte.
»Krieger anwerben«, murmelte sie wütend, ohne auf ihn zu achten. »Nicht in meiner Stadt. Ich hoffe, die verschwinden bald wieder.«
Ihre Stimmung versprach nichts Gutes für den Abend.
Doch trotz dieser düsteren Vorzeichen wurde es ein gelungenes Fest.
Domna
Anhes hatte sich zu Ehren der Gäste überboten. Die alte
aula
des Palastes erstrahlte im Glanz der Kerzen. Es roch nach Bienenwachs und Frühlingsblumen, mit denen man den Boden bestreut hatte. Die Edlen der Stadt erschienen in ihren feinsten Gewändern, die Damen in Schmuck und Seide, und selbst die reichen Bürger waren festlich angetan, wenn auch etwas bescheidener.
Die Ordensritter wurden bestaunt und ins Gespräch gezogen. Dann ließ man sich je nach Rang an den langen Tafeln nieder. Der Wein floss reichlich, und die Speisen nahmen kein Ende, ein Gang vorzüglicher als der andere. Tamburin, Flöten und Lautenklänge begleiteten das Gelage und versuchten vergeblich, das Gerede, Getuschel und Gelächter der Tafelnden zu übertönen.
Bis Peire Rogier auftrat. Ermengarda selbst mahnte zur Ruhe. Alles verstummte, lauschte andächtig seinen neuen Versen, nickte mit dem Kopf im Takt zu den Weisen und ließ sich von der rauchigen Stimme verführen. Ein Lied und dann noch zwei, von Leid und unerfüllter Liebe, zu der die Damen seufzten, wobei der Sänger seine dunklen Augen unverwandt auf
Domna
Ermengarda geheftet hielt, als sei sie allein das Ziel seiner heimlichen Träume. Am Ende, unter stürmischem Beifall, verneigte er sich vor ihr und allen Gästen. Sie nahm einen goldenen Reif vom Arm und warf ihm diesen lachend zu. Auch Josselin zu ihrer Rechten wollte sich nicht lumpen lassen und ließ dem Sänger einige Goldmünzen zukommen. Andere taten es ihm nach, so dass Rogier reichlich entlohnt wurde.
Man redete viel über Josselins Königin im fernen Outremer. Schließlich waren Alleinherrscherinnen wie Melisende von Jerusalem und Urraca von Kastilien doch eher selten. Umso wissbegieriger war Ermengarda zu erfahren, wie Melisende es gelungen war, sich als Frau in den schwierigen Zeiten, die sie durchlebt hatte, durchzusetzen. Josselin erzählte von ihrem Vater, König Balduin, der sie zur Nachfolgerin bestimmt hatte, von ihren drei eigenwilligen Schwestern, von Foulques d’Anjou, ihrem verstorbenen, hartherzigen Ehemann, gegen dessen Ehrgeiz sie sich hatte verteidigen müssen, von haltlosen Ehebruchsbezichtigungen, von Schlachten gegen die Ungläubigen und von ihrem noch unmündigen Sohn, auf dem ihre Hoffnungen ruhten.
Ermengarda war an diesem Abend kein Zeichen von Unmut anzumerken. Es erstaunte Arnaut immer wieder, wie selbstverständlich und gewandt sie mit Fürsten und hohen Gesandten umzugehen wusste. Fast mit Wehmut erinnerte er sich an das unerfahrene, junge
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