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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Größe und kräftiger Statur kein Nachteil. Über eine wattierte Lederkappe kam die Kettenhaube für Kopf und Hals, dann der schwere Normannenhelm mit eisernem Nasenbügel. Einige trugen jetzt diese neumodischen Topfhelme, die Kopf und Gesicht vollständig umschlossen. Aber Arnaut mochte sie nicht, denn durch die dünnen Seeschlitze ließ sich kaum etwas erkennen.
    Über die Panzerung zogen sie das leinene
sobrecot
in den Farben und dem Wappen von Rocafort, dem roten Eber. Dann schlang er sich den Schwertgurt so um die Hüften, dass er etwas vom Gewicht des Panzers von den Schultern nahm und ihm genug Bewegungsfreiheit in den Armen erlaubte. Nur langjährige, tägliche Übung machte es bei dem Gewicht der Rüstung überhaupt möglich, sich im Kampf noch schnell und ungehindert zu bewegen.
    Lois Bernat, der Arnauts Streitross Amir gesattelt und gezäumt hatte, führte es in den Hof. Der Hengst trug unter dem Kampfsattel einen langen Überwurf ebenfalls in Rocaforts Farben und einen ledernen, kettenbewehrten Brustpanzer. Das Tier tänzelte unruhig und bleckte gereizt die Zähne, so dass Arnaut ihn am Halfter nehmen und gut zureden musste.
    »Mir scheint, du hast so wenig geschlafen wie ich, mein Alter«, murmelte er und gab dem Hengst eine Handvoll Hafer. Sanft strich er ihm über die Nase und raunte ihm Schmeicheleien ins Ohr, bis er sich beruhigt hatte.
    Zuletzt zog er die gepanzerten Handschuhe über, hievte sich in den Sattel und lenkte den Hengst an den Wachen vorbei durch das Tor. Jori ritt den Wallach, und Lois Bernat folgte zu Fuß mit einem Maultier, das sie mit Lanzen und Schilden beladen hatten.
    Der Marktplatz lag noch menschenleer da. Die Eisen der Hufe klapperten unerträglich laut auf den buckeligen Pflastersteinen. Im Schritt ritten sie durch das Wassertor, das die
militia urbana
gerade erst geöffnet hatte. Auf der römischen Brücke über die Aude verhielten sie einen Augenblick. Ruhig floss das Wasser unter den Bogen des uralten Gemäuers. Ein feiner Dunstschleier hing über dem silbergrauen Fluss, Wasservögel trieben dahin wie schemenhafte, dunkle Tupfen auf einem Bild ohne Farben. Die Welt war still, noch halb im Traum gefangen.
    Arnaut fühlte sich leer. Ihn fröstelte in der Kühle der frühen Stunde. Der Zorn des Vorabends hatte sich verflüchtigt. Und doch gebot die Ehre, sich dem Kampf zu stellen. Gegen einen Mann, den er kaum kannte, der ihm gleichgültig war. Wie unnötig kam ihm dies jetzt im Dämmerlicht des neuen Tages vor.
    Sie folgten dem Ufer auf der anderen Seite des Flusses. Schattenhaft tauchten die Umrisse des Lagers der Fremden auf. Gestalten bewegten sich zwischen den Zelten, Kochfeuer züngelten gelb.
    Es war heller geworden, und weit draußen auf dem Meer, jenseits der Lagune und der Strände, brach die Sonne gleißend über den Horizont. Mit einem Schlag verschwand das Grau, das die Landschaft gefangen gehalten hatte, der feuchte Dunst über dem Fluss löste sich auf, die Bäume grünten, Tau glitzerte auf den Wiesen, alles nahm Farbe an, als hätte der Herrgott frisches Leben in seine Schöpfung gehaucht. Es versprach ein schöner, sonnendurchfluteter Tag zu werden. Kein besserer für einen frühen Tod. Darüber erschrak Arnaut und verbannte gleich wieder diesen unsinnigen Gedanken.
    Mit dem Licht kamen auch die Menschen. Einzeln oder in Gruppen, über die Brücke oder aus den Toren von lo Borc. Die meisten zu Fuß, aber auch Edelleute zu Pferde und Damen in Sänften. Und sie wanderten am Ufer entlang bis zum abgesteckten Wiesengrund, den die Kampfrichter vorbereitet hatten. Wenn Arnaut gedacht hatte, niemand würde dem Duell Beachtung schenken, am wenigsten zu dieser frühen Stunde, so hatte er sich geirrt.
    »Hat sich wohl herumgesprochen«, grinste Felipe. »Du wirst ihnen ein gutes Schauspiel bieten müssen.«
    Auch Severin blickte sich erstaunt um. »Sieht aus, als wäre die halbe Stadt auf den Beinen.«
    Jori lehnte die mitgebrachten Lanzen gegen einen Baum. Statt scharfer Klingen trugen sie ein eisernes Krönlein, denn die vier Kampfrichter, Felipe und Severin auf der einen, Hugues de Bouillon und Étienne de Bernay auf der Gegenseite, hatten sich geeinigt, dass mit stumpfen Lanzen gestoßen werden sollte. Auch das war schon gefährlich genug. Ein Treffer würde trotz Panzerung nicht ohne Rippenbrüche abgehen, und eine Lanze, die am Schild des Gegners abglitt, konnte ihn unglücklich im Gesicht treffen. Vielleicht war ein Topfhelm doch nicht so schlecht, dachte

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