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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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bekommen. In jedem Dorf, durch das sie kamen, suchte man zuerst nach Essbarem, dann nach Hufeisen oder zumindest nach eisernem Gerät, das man umschmieden konnte.
    Trotz des königlichen Verbots nahm das Plündern immer mehr überhand. Regelmäßig schwärmten Reiter aus, um Futter für die Tiere zu suchen. Dabei überfielen sie nicht selten Siedlungen, nahmen alles Nützliche mit, töteten widerspenstige Bauern und vergewaltigten deren Weiber. Ob das christlich war, kümmerte sie wenig, schließlich waren sie im Auftrag Gottes unterwegs.
    Solche Übergriffe erschwerten die Beziehungen zu den byzantinischen Ordnungsmächten, die täglich bei König Louis Beschwerde über neue Vorfälle einlegten. Man hielt Proviantlieferungen zurück und verlangte Besserung. Das jedoch war Wasser auf den Mühlen der Plünderer. Böse Gerüchte kamen in Umlauf. Die Griechen würden sie nur hinhalten und wollten sie aushungern, denn in Wahrheit hätten sie einen Pakt mit den Türken, die im Landesinneren nur darauf warteten, die
militia christi
endgültig zu erledigen. Es war nur recht, sich zu nehmen, was man brauchte. Es kam sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit griechischen Soldaten. Als der König versuchte durchzugreifen und ein paar Raufbolde hängen ließ, steigerte das die Wut der Männer nur noch mehr.
    Und wer zum Plündern keine Gelegenheit hatte, der stahl. Besonders das Klauen von Essbarem wurde zur allgemeinen Seuche. Jori, der als Straßenjunge aufgewachsen war, brachte Lois Bernat die alten Tricks bei. Gemeinsam gingen sie auf Raubzug, wenn sie lohnenswerte Ziele erspähten. Der eine lenkte ab, während der andere zuschlug. Sogar Constansa beteiligte sich gelegentlich an diesen Streichen, und Arnaut fragte sich bald nicht mehr, woher die Hammelrippen oder Schweinsfüße stammten, die in ihrem Kochtopf landeten.
    Einmal aber wurde Constansa erwischt.
    Es war abends, nicht weit von Smyrna gewesen. Hinter einem Kochzelt hatte sie sich ein Huhn aus einem behelfsmäßigen Käfig geschnappt, ihm den Hals umgedreht und das Tier hastig unter ihr Wams gestopft. Ein großes Gezeter hob an, denn sie war beobachtet worden. So schnell sie konnte, rannte sie zu Arnauts Lagerstatt zurück, verfolgt vom Koch und zwei kräftigen Burschen, deren Mienen nichts Gutes verhießen. Quer durchs Lager hetzte sie, sprang über Zeltschnüre und rempelte Männer an, die Verfolger immer im Nacken. Nur ihr verdammtes Huhn wollte sie nicht aufgeben.
    Als Severin sie kommen sah, sprang er auf und zog sein Schwert. Constansa brachte sich hinter seinen breiten Rücken in Sicherheit, und die Verfolger blieben heftig atmend stehen, denn Severin sah aus, als würde er dem Erstbesten den Kopf abschlagen.
    »Niemand fasst sie an, ihr Bastarde!«, brüllte er. »Oder muss ich euch erst den Wanst aufschlitzen.«
    Gleich waren auch Jori und zwei andere aus Arnauts Truppe zur Stelle, die sich drohend neben ihm aufpflanzten.
    »Sie hat ein Huhn gestohlen«, keuchte der Koch und zeigte auf Constansa. Seine Kumpane nickten wütend. »Sie soll es rausrücken.«
    »Was für ein Huhn?«, sagte Severin verdutzt. »Seht ihr ein Huhn?«, fragte er seine Freunde. »Ich sehe keins.«
    »Sie hat es unter ihr Wams gesteckt. Schau hin. Man kann es gut erkennen.«
    Tatsächlich. Constansas Bauch wölbte sich verdächtig.
    Da begann Severin zu lachen.
    »Das ist kein Huhn, ihr Affen. Das Mädel ist schwanger. Das sieht doch jeder. Habt ihr noch nie ein schwangeres Weib gesehen? Vögeln könnt ihr, nehme ich an, aber ansonsten dumm wie Stroh! Sie ist verdammt noch mal schwanger. Und wollt ihr wissen, von wem?«
    Drohend machte er einen Schritt nach vorn.
    »Nein«, murrten die Kerle erschrocken und wichen zurück. Das wollten sie nicht wissen.
    »Dann macht euch davon, ihr verdammten Hurenböcke!«
    Und als nun auch Jori und die anderen die Schwerter zogen, traten die Bestohlenen fluchend, aber kleinlaut den Rückzug an, verfolgt von lautem Gelächter.
    »So, schwanger bin ich, was?«, kicherte Constansa. »Und ausgerechnet von dir. Das hättest du wohl gern.«
    Severin grinste frech wie ein Lausbub. Aber ein bisschen rot wurde er doch.
    Die gute Elena lachte sich halb tot über diesen Streich. Dann rupfte sie das Huhn und briet es über dem Feuer. Als es gar war, zerteilte Constansa ihre Beute und schenkte Severin zum Dank nicht nur einen saftigen Schenkel, sondern auch das herzlichste Lächeln überhaupt, seit sie am Bosporus von Bord gestiegen war.

Begegnung mit dem

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