Die Hure Babylon
Hinterhalt. Von allen Seiten stürmten türkische Reiter auf sie ein und ließen Pfeile auf sie niederregnen.
Mit seinen Rittern wagte Herzog Friedrich einen mutigen Gegenangriff. Es gelang ihnen tatsächlich, die Seldschuken in die Flucht zu schlagen. Aber nun wurde ihnen die Unerfahrenheit des jungen Friedrich zum Verhängnis, denn triumphierend und ohne jede Ordnung ließ er den fliehenden Türken die gesamte Reiterei nachhetzen. Zu spät erkannten sie, dass diese Flucht nur gespielt war. In einem engen Tal wandten sich plötzlich die Türken gegen sie, andere tauchten von allen Seiten auf, und in einem kurzen, blutigen Gefecht verlor der Großteil der alemannischen Ritter das Leben. Friedrich selbst war nur durch ein Wunder entkommen.
Des Schutzes der Reiterei beraubt, war nun das Fußheer den erneuten Angriffen der Seldschuken ausgesetzt gewesen. Obwohl sie sich zurückzogen und in guter Ordnung den langen Rückweg nach Nicäa einschlugen, mussten sie immer mehr Tote und Schwerverwundete zurücklassen. Nach tagelangem Marsch ohne Wasser oder Proviant, bei dem sie beständig von nachsetzenden Türken angegriffen wurden, brach zuletzt jede Ordnung zusammen, Panik griff um sich, und jeder suchte nur noch, das eigene Leben zu retten. Dies machte es den Türken umso leichter, die Männer niederzumachen, wo sie sie trafen. Als die Angriffe endlich aufhörten, hatten nur etwa zweitausend Mann das Gemetzel überlebt.
Wie die Frau, die sich Elena nannte, es geschafft hatte, da durchzukommen, war Arnaut nach dieser Schilderung unbegreiflich.
Lange herrschte betretenes Schweigen. Auf den Gesichtern standen Zweifel und Unentschlossenheit, ja sogar Furcht und Sorge. War dies schon das Ende ihrer Pilgerfahrt? Wenn es den Alemannen so ergangen war, wer konnte da meinen, sie, die Franken, könnten sich besser gegen die Seldschuken behaupten? War nun alles umsonst, nachdem sie so weit gekommen waren?
Mitten in diese verzagte Stille hinein sagte die Königin mit fester Stimme, nun sei es doch wohl hoffentlich jedem Hornochsen klar, dass man nach dem Rat der Byzantiner zu verfahren und die Küstenstraßen zu nehmen habe. Von Aufgabe sei nicht die Rede. Man müsse aus dem Geschehenen nur die richtigen Lehren ziehen.
Die Männer sahen sich an, nickten, einige bedachten sie sogar mit einem bewundernden Lächeln und standen wieder aufrechter. König Louis dagegen warf ihr einen zornigen Blick zu, da sie, ohne ihn zu fragen, zuerst geredet hatte. Dass das Königspaar nicht immer einer Meinung war, hatte sich schon herumgesprochen und erstaunte nur wenige.
Verlegen sicherte Louis den Alemannen jede Unterstützung zu und konnte am Ende doch nichts anderes tun, als seiner Gemahlin zuzustimmen. Es würde also trotz dieses enormen Rückschlags weitergehen.
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Für die vielen Toten wurden Messen gelesen. Sie waren als Märtyrer gestorben und würden sogleich Eingang in Gottes Reich finden, dessen war man sicher. Auch für die Verschollenen und für die von den Türken in die Sklaverei verschleppten Weiber und Kinder wurde gebetet. Den edlen Damen um Königin Alienor war zum ersten Mal bewusst geworden, dass auch ihnen ein solches Schicksal blühen könnte, dass ein Kriegszug kein Ausflug war. Von diesem Tag an war vom Gesang der
trobadors
nicht mehr viel zu hören.
Man bereitete den Aufbruch vor. Zunächst sollte es in Richtung Südwesten gehen. Konrad und die Reste des Alemannenheeres schlossen sich den Franken an und würden im Tross folgen. Bei Esseron, das sie am 11 . November erreichten, berichtete ein Bote, dass auch Otto von Freising verlustreiche Feindberührungen erlitten hatte und trotzdem vorhatte, sich weiter nach Laodikeia und Attalia durchzuschlagen. Und so beschlossen die Heerführer, sicherheitshalber noch weiter nach Westen bis zur Ägäischen Küste zu marschieren, die sie bei Adramyttion erreichten.
»Gefällt mir nicht«, grummelte Severin. »Wir laufen weg, anstatt uns den Türken zu stellen. Je länger wir sie vermeiden, umso unbezwingbarer werden sie in unseren Köpfen.«
»Da ist etwas dran«, erwiderte Arnaut. »Aber entlang der Küste werden wir leichter versorgt.«
»Hör bloß auf. Der griechische Fraß ist zum Kotzen.«
Die Byzantiner lieferten zwar regelmäßig, aber selten Gutes. Ihr Korn war oft angefault, Gemüse halb verrottet und Fleisch Mangelware, außer wenn fränkische Reitertrupps bei ihrer täglichen Futtersuche ein paar Rinder, Ziegen oder Schweine mitgehen ließen, was eigentlich
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