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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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mitschuldig an dieser Niederlage gewesen, wie man später erfahren sollte.
    Sofort wurden Reiter ausgesandt, an ihrer Spitze auch Arnaut und seine Männer, um gegen verfolgende Türken zu schützen. Aber vom Feind war nichts zu sehen, nur eine graue Schlange von Flüchtlingen auf der staubigen Straße, zuletzt die Schwächsten unter ihnen, die es trotz Durst und Erschöpfung irgendwie noch schafften, sich auf den Beinen zu halten.
    Unter diesen Verfluchten befand sich auch eine Frau, vielleicht um die dreißig. Sie sah aus, als habe sie Schlimmes erlebt, die Kleider hingen ihr in Fetzen vom Leib, sie hatte ihr Schuhwerk verloren und bewegte sich nur noch schleppend auf Füßen, die von Blut und Staub verkrustet waren. Aber ein tiefer Überlebenswille ließ sie nicht zusammenbrechen. Erst als Arnauts Hengst ihr den Weg versperrte, blieb sie stehen und sah auf. Alles Elend der Welt schien in ihren Augen zu stehen.
    Arnaut stieg vom Pferd und wies Jori an, ihm zu helfen. Gemeinsam hoben sie das Weib in den Sattel und gaben ihr zu trinken. Ihren Dank konnte sie nur flüstern, zu schwach, auch nur zu lächeln. Die anderen aus Arnauts Truppe taten es ihm gleich, und so kehrten sie, die Gäule am Zügel führend, mit den letzten Flüchtlingen ins Lager zurück.
    Constansa half ihnen, die Frau vom Pferd zu heben und mit Jori und Lois Bernat in ihr eigenes Zelt zu tragen.
    »Noch ein Weib zu versorgen?«, grummelte Severin.
    Ein kalter Blick aus Constansas Augen ließ ihn schweigen. Verlegen beauftragte er Lois Bernat, Wasser für die Frau zu holen und etwas zu essen.
    »Sie ist aus Lotharingen«, sagte Constansa später, »und spricht Fränkisch.«
    »Wie ist ihr Name?«, fragte Arnaut.
    »Elena.«
    Er nickte. »Du kümmerst dich um sie?«
    »Natürlich«, sagte sie und dann zu Severin: »Keine Sorge. Ein Weib versorgt das andere. Dich brauchen wir nicht dabei.«
    »Ist schon gut«, erwiderte der. »Es tut mir leid.«
    Mit der Niederlage der Alemannen verbreitete sich große Unsicherheit im Lager der Franken. Der Stimmungsumschwung war gewaltig. Der Feind sei vielleicht unbezwingbar, befürchteten jetzt manche. Und das Ende der Welt sei nahe, verkündeten ein paar selbsternannte Propheten. Der Herr strafe sie alle für ihre Sünden, bekräftigten die Mönche und riefen zur Buße auf.
    Am Nachmittag berief König Louis eine Versammlung der Heerführer ein, um gemeinsam zu beraten, was nun zu tun sei. Arnaut durfte auf Bertrans Einladung hin daran teilnehmen.
    An die siebzig oder mehr standen dichtgedrängt in einem Ring von Leibwachen vor dem Zelt des Königs. Auch Josselin war darunter, ebenso die Anführer des Templerordens in ihren weißen Mänteln. Etwas abseits die Herzöge von Bayern und Böhmen, denen es ebenfalls gelungen war, zu entkommen.
    In der Mitte die zwei ungleichen Könige. Ihre gedrückte Haltung schien die ganze Tragik der Lage zum Ausdruck zu bringen. Der etwas schmächtige Louis, bleich und unsicher, war offensichtlich von den Ereignissen überfordert. Neben ihm, auf einem Feldstuhl, den verbundenen Arm in einer Schlinge, saß grau und mutlos König Konrad. Er war jetzt Mitte fünfzig, doch die Niederlage und der Verlust seines stolzen Heeres hatten ihn um Jahre altern lassen. Neben ihm, mit der Hand auf seiner Schulter, stand mit finsterer Miene sein Neffe Friedrich.
    Allein die junge Königin Alienor schien sich von der allgemeinen Niedergeschlagenheit nicht beeindrucken zu lassen. Ernst, aber gefasst saß sie auf einem elfenbeinernen Feldstuhl und folgte aufmerksam den Mönchen, die die Berichte der Alemannen zu übersetzen hatten.
    Um schneller voranzukommen, so wurde erzählt, war kurz nach Nicäa entschieden worden, sich von den meisten unbewaffneten Pilgern, die das Heer begleiteten, zu trennen. Sie sollten in Begleitung einer kleinen Truppe und unter der Führung Bischof Ottos von Freising, des Königs Bruder, auf einer weniger gefährlichen, südlichen Route in Richtung Laodikeia ihren Weg machen. Konrad und seine Heerführer dagegen waren zuversichtlich der alten Straße in Richtung Iconium gefolgt, ohne sich viel über den Feind Gedanken zu machen, da sie sich immer noch auf sicherem byzantinischem Gebiet wähnten.
    Die Schwierigkeiten begannen, als in den weiten, menschenleeren Landschaften Proviant und Wasser ausgingen. Aus Futtermangel verloren sie Pferde und Lasttiere, und auch die ersten Männer starben entkräftet am Wegrand. Dann, in der Nähe von Doryläum, gerieten sie in einen

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