Die Hure Babylon
streng verboten war, denn der König wollte keinen Ärger mit den griechischen Amtsträgern und bestand darauf, alles zu bezahlen.
Konrads Niederlage lastete auf den Gemütern.
»Warum lässt Gott uns im Stich, Bruder Aimar?«, fragte Constansa. »Ich hätte gedacht …«
Aimar lächelte. »Dass wir hier in dieses fremde Land kommen und einfach die Ungläubigen vor uns hertreiben wie Schafe? Hattest du das erwartet?«
Sie lächelte verlegen. »Ja, so ähnlich. Ist wohl dumm von mir.«
»Dann muss ich auch dumm sein«, sagte Severin. »Das habt ihr Pfaffen uns doch versprochen, oder?«
Constansa warf ihm einen überraschten Blick zu. Von ihm hätte sie am wenigsten Zustimmung erwartet.
Fraire
Aimar wusste, sie wollten Aufmunterndes von ihm hören. Schließlich war er der Priester und für alles Göttliche zuständig. Aber Antworten hatte er ebenso wenig wie sie.
»Gottes Wege sind nicht leicht zu ergründen«, erwiderte er etwas lahm. »Wir kennen nicht seinen Plan.«
»Plan?«, zischte Severin. »Dieses ziellose Umherwandern sieht mir nicht nach einem Plan aus.«
Am nächsten Tag brachen sie gen Süden und nach Pergamon auf. Es ging durch hügeliges, teils bewaldetes, teils bewirtschaftetes Gelände, an Weinbergen, Feldern und Olivenhainen vorbei und durch winzige Dörfer. Die Gegend war fruchtbar und gut besiedelt. Aber sobald die fränkische Vorhut über einem Hügelkamm auftauchte, versteckten die Dörfler Vieh, Frauen und Kinder. Etwas ängstlich standen sie am Wegrand und begafften die fremden Krieger, die endlos an ihnen vorüberzogen.
Der November zeigte sich von seiner nassen Seite. Grau und schwer hing der Himmel über der Landschaft, und unter den Abertausenden Füßen und Hufen, die über sie hinwegtrampelten, verwandelten sich die Straßen in wahre Schlammlöcher.
König Konrad kränkelte. Vielleicht war es seine Wunde, die nässte und schmerzte, vielleicht war er einfach erschöpft nach der wilden Flucht von Doryläum. Seinen Landsleuten schien es ähnlich zu gehen. Sie waren niedergeschlagen, hingen ständig zurück und hielten den ganzen Zug auf. So kam es, dass sich bei den Franken, sobald sie eines Alemannen ansichtig wurden, der verächtliche Ruf
»Pousse Allemand!«
einbürgerte, was so viel bedeutete wie:
»Schieb deinen Hintern an!«
Der Regen machte allen zu schaffen. Die Männer marschierten durchnässt mit steifgefrorenen Gliedern und blauen Lippen, Schuhleder löste sich auf, klamme Kleider rieben an empfindlichen Stellen, Furunkel blühten, und hier und da wurde jemand krank und schleppte sich mit Husten und Fieber dahin. Es kam auch vor, dass einer morgens nicht mehr aufwachte und man ihn hastig am Wegrand begrub. Die Reiter hatten es leichter, doch ihre Tiere litten nicht weniger. An Sätteln und nassen Packriemen scheuerten sie sich wund, Hufe quollen auf und wurden rissig, gelegentlich brach ein Gaul oder Maultier vor Erschöpfung zusammen.
Nachts war es noch unerträglicher. Ohne trockenes Feuerholz war an warmes Essen nicht zu denken. Zum Schlafen blieb nichts, als sich auf dem nassen Boden so gut wie möglich einzurichten, während es von oben durch dünne Zeltwände tropfte, denn die wenigsten besaßen geteerte Planen. Nur die bleierne Müdigkeit nach einem langen Tagesmarsch brachte ein paar Stunden erschöpftes Dahindämmern. Und wenn es graute, war man beinahe froh, wieder sein Pack zu schultern, um weiterzumarschieren und so die Kälte zu besiegen.
Für die Wunder der herrlichen Stadt Pergamon blieb keine Zeit, selbst wenn Arnaut und seine Freunde noch Lust und Kraft gehabt hätten, Amphitheater und antike Tempel zu bestaunen. In aller Eile wurden Maultiere ausgetauscht, Hufe neu beschlagen und Proviant erstanden. Dann ging es weiter. Zum Glück hatte sich das Wetter inzwischen gebessert, der Himmel war wieder klar, und zum ersten Mal seit Tagen trockneten die Kleider auf dem Leib.
Fast sechs Monate waren sie nun unterwegs. Und langsam mangelte es an allem. Die verblichenen Tuniken zerfielen am Leib und waren von Läusen verseucht. Gegen die winterliche Kälte hüllten sich die Männer in alles, was sich gerade auftreiben ließ. Glücklich, wer einen Umhang aus Schaffell besaß, ansonsten mottenzerfressene Decken, ja selbst alte Getreidesäcke. Brauchbare Stiefel waren zum kostbarsten Gut geworden, so dass viele trotz Kälte barfuß liefen, nur um ihre Stiefel zu schonen.
Für die Menge an Tieren, die das Heer mit sich führte, war es schwer, Hufeisen zu
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