Die Hure Babylon
sie nicht gewohnt.
»Das könnte dir wohl passen«, erwiderte sie deshalb patzig. »Vielleicht rette ich dir noch mal den Hintern, du Grobian. Und dann bist du froh über meine Rüstung.«
Die Umstehenden lachten über Severins langes Gesicht.
»Den Tag möchte ich erleben«, entgegnete er mürrisch. Aber dann lächelte er und fuhr ihr freundschaftlich mit der Hand durchs Haar. »Und? Hast du einen Türken erwischt?«
»Weiß nicht.«
»Hast du oder hast du nicht?«
»Ich glaub nicht«, antwortete sie verlegen.
»Jedenfalls ist dir nichts geschehen«, grinste Arnaut. »Hier, nimm einen Schluck Wein.« Er reichte ihr seinen ledernen Weinschlauch, der noch halb gefüllt war.
»Und, Severin«, sagte er zu seinem Freund. »Ab jetzt will ich, dass du ihr nicht mehr von der Seite weichst. Hast du gehört?«
»Ich brauche kein Kindermädchen«, widersprach Constansa.
»Auch du tust, was dir befohlen wird«, blaffte Arnaut sie an.
Damit drehte er sich um und machte die Runde unter seinen übrigen Männern. Einer hatte einen Pfeil in die Schulter bekommen. Dank des Panzers zum Glück nicht tief. Ein anderer blutete aus einer Schnittwunde im Gesicht, ansonsten nichts weiter als ein gequetschter Finger und ein paar Prellungen.
»Nicht schlecht für eine Feuertaufe«, meinte Ferran. »Die Jungs haben sich gut gehalten. Du kannst zufrieden mit ihnen sein.«
Die wenigen unverwundeten Seldschuken, die nicht rechtzeitig entkommen waren, wurden gefesselt und zusammengetrieben. Byzantinische Sklavenhändler, die in Hoffnung auf solche Kriegsbeute die
militia
begleiteten, würden sie übernehmen und nach Ephesus bringen.
Das war also der Feind, dachte Arnaut, als er sich die fremdartigen Männer ansah. Weite Hosen und Stiefel bis zum Knie, gesteppte, langschößige Jacken, einige besaßen lederne Panzer mit aufgenähten Eisenplättchen, und auf dem Kopf trugen sie pelzverbrämte Kappen. Die meisten waren kleiner als die Franken, aber kräftig und muskulös, dunkelhäutig mit langen, schwarzen Haaren, an den Seiten zu Zöpfen geflochten. Kräftige Schnurrbärte schien ihr Mannesstolz zu sein. Einen eingeschüchterten Eindruck machten sie nicht. Viele schienen ihre Gefangenschaft gleichmütig hinzunehmen, andere starrten trotzig und wild aus schmalen, leicht schrägen Augen auf die Ritter aus dem Westen.
»Für Söhne des Satans sehen sie eigentlich ganz menschlich aus«, sagte Arnaut.
»Hattest du Hörner und lange Schwänze erwartet?«, lachte Ferran. »Vielleicht noch einen Pferdefuß?«
»Der liebste Seldschuke ist mir ein toter Seldschuke«, sagte Severin.
Inzwischen war Bertran de Sant Gille zu ihnen herübergewandert. Braune, schweißverklebte Haare hingen ihm in die Stirn, und sein
sobrecot
war blutbesudelt. Er zog Arnaut zur Seite. Das sonst so unbekümmerte Gesicht des jungen Fürstensohns war von der Anstrengung der Schlacht gezeichnet.
Entrüstet schüttelte er den Kopf. »Wir müssen verdammt noch mal vorsichtiger werden. Wie konnte Rancon an den Türken vorbeireiten, ohne sie zu bemerken? Gottlob ist er noch im rechten Augenblick zurückgekommen. Zumindest wissen wir jetzt, dass wir sie schlagen können.« Das Letzte hatte er in grimmer Befriedigung gesagt.
»Einer aus Outremer meinte, es sei nur ein erstes Scharmützel gewesen«, wandte Arnaut ein. »Er kennt sie gut, die Seldschuken.«
»Puylaurens meinst du?«, brummte Bertran verächtlich. »Ich hab gesehen, dass du mit ihm geredet hast. Woher kennst du den Kerl?«
»Er war in Narbona. Spricht schlecht von dir und deinem Vater.«
»Wundert mich nicht. Der steckt mit Königin Melisende unter einer Decke.«
»Er ist ihr Gesandter.«
»Mehr als das,
putan
«, grinste Bertran. »Eher ihr Buhle.«
»Und was hat das mit dir zu tun?«
»Melisendes Schwester Hodierna ist mit meinem Vetter Raimon von Tripolis verheiratet. Sie glauben, dass wir unseren Erbanspruch auf die Grafschaft anmelden.«
»Und? Ist die Befürchtung berechtigt? Wird es Ärger geben? Josselin jedenfalls scheint so zu denken.«
»Wer weiß?« Bertran hob die Schultern und grinste. »Aber bis Tripolis ist noch ein langer Weg. Später sehen wir weiter.«
♦
Nichts in ihrem fünfundzwanzigjährigen Leben hätte Königin Alienor auf den Anblick vorbereiten können, der sich ihr bot, als sie das Schlachtfeld erreichte.
Als wollte der Himmel schnellstens diese Schande der Irdischen bedecken, hatte es zu schneien begonnen. Weiße Flocken taumelten herab und legten sich über eine
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