Die Hure Babylon
meinte Aimar, »er weiß es selber nicht so genau. Angeblich sucht er Vergebung für seine Sünden. Enttäuschte Liebe spielt da auch eine Rolle. Und das Abenteuer.«
»Wer so einen Mann gehen lässt, muss verrückt sein«, sagte sie und seufzte bedauernd.
»Was zwischen zwei Liebenden vorgeht, weiß Gott allein.«
Elena nickte. »Die verfluchte Liebe. Ihretwegen bin ich auch hier gelandet.«
»Und wo ist der Glückliche?«
»Der blöde Kerl ist gestorben. Schon auf der Herreise. Hat sich bei einer Prügelei den Schädel einschlagen lassen.«
»Das tut mir leid.«
»Ich bin drüber weg.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ja, und so versuche ich, mich durchzuschlagen. Wo soll ich sonst hin?«
Sie wanderten schweigend weiter, Aimar auf seinem Maultier und Elena mit ihrem Bündel auf dem Rücken. Er dachte über ihre Worte nach. Auch sie war also nur eine der vielen verlorenen Seelen auf dieser Wallfahrt. Denn wer etwas hatte, das sich lohnte festzuhalten, der blieb zu Hause, der trieb sich nicht am anderen Ende der Welt herum. Sind wir denn alle nur Suchende?, fragte er sich. Und was gibt es überhaupt zu finden?
»Sag mal«, er wies mit dem Kopf auf eine junge Magd, die ihnen auf Schritt und Tritt folgte, »wen hast du denn da aufgelesen?«
»Ach, die«, erwiderte Elena, ohne sich umzusehen. »Die hat heute ihren Kerl verloren. War einer von den Speerkämpfern. Sie wird mir helfen, unsere Truppe zu versorgen. Alleine schaffe ich das nicht. Und Lois Bernat ist ja auch keine große Hilfe. Der muss sich schon um die Pferde kümmern.«
»Wie heißt sie?«
»Joana.«
Verstohlen blickte er sich zu dem jungen Weib um. Das Gesicht unter ihrer wollenen Haube war ernst, fast mürrisch. Hübsch war sie dennoch, und trotz der Decken, die sie gegen die Kälte um sich geschlungen hatte, war etwas Sinnliches in ihren Bewegungen. Er hatte schon bemerkt, dass Männer ihr Blicke zuwarfen, die sie nicht scheute, dreist zu erwidern.
»Wie eine Dienstmagd sieht sie aber nicht aus.« Er zwinkerte Elena zu.
»So, und woher weiß unser Herr Mönch das? Hat er etwa Erfahrung in so was?«
»Ich weiß nicht, was du vorhast, Elena, aber Arnaut wird es vielleicht nicht mögen.«
»Wie das Mädel ihr Auskommen verdient, geht niemand etwas an. Joana bleibt unter meinem Schutz und
basta!
«
»Nun gut. Aber nicht, dass du nachher sagst, ich hätte dich nicht gewarnt«, erwiderte er.
Gegen Abend, der Himmel hatte sich ein wenig geklärt, erreichten sie das ebene Tal, und an einem Zufluss des Mäander wurde das Lager errichtet. Nach und nach trafen die Kundschafter ein. Die Seldschuken seien in großer Eile nach Osten gezogen, hieß es. Zumindest in den nächsten Tagen sei nicht mit ihnen zu rechnen.
Der Boden war nass, das feuchte Holz qualmte zum Erbarmen, aber von den verendeten Pferden auf dem Schlachtfeld hatte man genug Fleisch gerettet, um die mageren Rationen für ein paar Tage aufzubessern. Jedem war klar, dass der Feind noch nicht besiegt war, dennoch war die Stimmung ausnehmend gut.
Trotz der Versorgungsknappheit gab es Wein in ausreichenden Mengen. Und so redeten die Männer über Sieg und Tod, über ihre Liebsten daheim, sangen und betranken sich ausgiebig. Und wie jeder weiß, je sterblicher der Mensch sich fühlt, umso dringender sein Bedürfnis zu kopulieren. Was den Lagerhuren reichlich zugutekam. Joana betrieb ihr Geschäft ebenfalls, wenn auch heimlich, damit Arnaut nichts davon merken sollte.
Sänger machten die Runde und wurden, wo immer sie auftauchten, begeistert empfangen. Harte Krieger, Mörder und Totschläger, Huren und Spitzbuben, sie alle glaubten an ihre Sendung für Gott. Und so stimmten sie das beliebte Lied an, das die
militia christi
schon seit der Heimat begleitete und dessen Verse an diesem Tag eine neue, besondere Bedeutung angenommen hatten.
Chevalier, mult estes guariz,
Quant Deu a vus fait sa clamur
Des Tors e des Amoroviz,
Ki li unt fait tels deshenors
Cher a tor unt ses flieuz saisiz;
Bien en devums aveir dolur.
Cher la fud Deu primes servi.
O Ritter, seid der Erlösung gewiss,
Wenn Gott nach euch ruft
Gegen Türken und Almoraviden zu ziehen,
Die solch Schande ihm angetan
Und zu Unrecht Sein Heilig Land geraubt;
Worüber uns tiefer Schmerz erfasst,
Denn dort als Erstes ward Er verehrt.
An dieser Stelle setzten dann hundert rauhe Kehlen ein, um immer wieder den Kehrreim zu singen:
Ki ore urat of Loovis
Ja mar d’enfern avrat pouur,
Char s’alme et iert en
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