Die Hure Babylon
anderen sind Euch gefolgt.«
»Es tut mir leid,
Domina
«, stammelte Arnaut. »Ich hätte nicht …«
Sie unterbrach ihn. »Es war Ungehorsam,
Senher
Arnaut, und in der Tat kein nachahmenswertes Beispiel.«
»Nein,
Domina.
«
»Es war aber auch ungewöhnlich mutig von Euch.«
Plötzlich lächelte sie, so dass ihr Gesicht sich völlig verwandelte. War sie vorher ernst und sogar etwas furchteinflößend erschienen, so strahlte sie nun so viel Wärme aus, dass man sich von der Hölle in den Himmel gehoben fühlte.
»Und ich glaube«, fuhr sie fort, »an diesem Tag haben wir Eurem Ungehorsam sehr viel zu verdanken.«
Arnaut schlug das Herz bis in den Hals. Dass sie eine außergewöhnliche Schönheit war, hatte er gehört. Doch ihre größte Wirkung lag in ihrem Wesen. Gesicht, Ausdruck, Haltung, aber vor allem das Feuer, das aus ihren Augen sprühte, musste jeden gefangen nehmen.
»Ihr seid aus Tolosa,
Senher
Arnaut?«
»Aus Narbona. Genauer gesagt, aus der Corbieras.«
»Ach, wie gut, hier unter euch meine Sprache zu sprechen. Und wie geht es
Vescomtessa
Ermengarda?«
»Ihr kennt sie?«, fragte Arnaut erstaunt.
»Nicht persönlich. Aber ich habe von ihr gehört. Sie scheint mir eine mutige Frau zu sein. Genau wie Ihr,
Mossenher.
«
»Das ist sie.«
Die Königin wandte sich an die Höflinge, die in ihrer Begleitung waren. »Die Tapfersten findet man doch immer unter meinen braven Provenzalen, nicht wahr? Ungestüm mögen sie sein, aber sie haben ein festes und standhaftes Herz.«
Sie bedachte Arnaut mit einem herzerwärmenden Lächeln, dann blickte sie in die Runde.
»
Messenhers,
ich danke Euch allen und werde dem König berichten, mit welcher Tapferkeit die Tolosaner heute gekämpft und uns den Sieg geschenkt haben.«
Damit wendete sie ihr Pferd und begab sich zu den Zelten des Hofes, die man inzwischen begonnen hatte zu errichten. Für heute würde die
militia
nicht weiterziehen.
Einer nach dem anderen von Arnauts Kriegern drängte sich vor. Sogar die Verwundeten, die noch humpeln konnten. Zum Feiern war ihnen nicht zumute. Aber sie nickten ihm zu, berührten seine Schulter oder grinsten aufmunternd, als wollten sie ihm zeigen, dass sie trotz allem stolz auf das Geleistete waren und zu ihm standen.
♦
Drei Tage lang blieben sie an der Furt, lasen Messen, begruben die Toten und pflegten ihre Verwundeten. Die ausgeplünderten, nackten Leichen der Türken wurden in den Fluss geworfen, wo sie an manchen Stellen so dicht anschwemmten, dass sie ganze Teppiche von verwesenden Leibern bildeten.
Nach diesem Sieg war die allgemeine Stimmung in der
militia
von neuem Mut geprägt. Das Zeichen des Himmels hatte sich bewahrheitet, der Feind war nicht mehr der Schrecken von Doryläum. Man hatte es den verdammten Ungläubigen gezeigt, ja mehr noch, nun war man sicher, dass den fränkischen Reitern nichts und niemand widerstehen konnte.
Bertran de Sant Gille hatte nach den Worten der Königin gehofft, dass der Einsatz der Tolosaner gebührend gewürdigt würde. Schließlich hatten sie sich mit Opfermut den Türken in den Weg gestellt und Hauptheer und Tross gerettet.
Doch bei vielen Nordfranken waren die provenzalischen Günstlinge der Königin nicht sonderlich beliebt. Sie fanden, Alienor habe ohnehin zu viel Einfluss auf den König, der sie trotz vieler Meinungsverschiedenheiten abgöttisch liebte. Und so wurde viel über die Tapferkeit der Herren wie Thierry d’Alsace, Henri de Champagne und anderen geredet, die den entscheidenden Sieg errungen hatten. Kein Wort über die Tolosaner.
Diese fassten es als Kränkung der Ehre ihrer toten Kameraden auf. Sie murrten endlos an den Lagerfeuern, redeten sich in Wut, und nicht wenige sprachen davon, den Pilgerzug zu verlassen. Was nützte es, für andere die Knochen hinzuhalten, wenn es keiner Erwähnung wert war.
Stattdessen ehrte Louis einen gewissen Reynaud de Chastillon, der sich in der Nachhut an des Königs Seite gegen die Seldschuken ausgezeichnet hatte. Er stammte aus Reims, einer Gegend, die dem Herzen des Königs näherlag, und war ein junger Ritter aus guter Adelsfamilie. Sehr kühn und selbstbewusst trat er auf und schien sich in der Nähe der Mächtigen ganz selbstverständlich wohl zu fühlen.
Eine Angelegenheit, die den König in Verlegenheit brachte, waren die etwa dreihundert türkischen Gefangenen. Eine Handvoll darunter waren offensichtlich Männer von Rang, die man nach Ephesus schicken konnte, da sie einiges an Lösegeld wert waren. Doch was
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